© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/11 / 04. November 2011

Sortiment überarbeitet
Proteste erfolgreich: Die katholische Verlagsgruppe Weltbild entfernt Erotikliteratur aus ihrem Angebot
Paul Leonhard

Auf der Frankfurter Buchmesse präsentierte sich die Verlagsgruppe Weltbild, die der katholischen Kirche – die Hälfte aller Diözesen ist an ihr beteiligt – gehört, ganz modern. Mit dem elektronischen Lesegerät eBoot Reader 3.0, das 2.000 Bücher speichert, begeisterte sie eine Nachrichtenagentur so, daß sie jubelte: „Katholische Bischöfe holen zum Schlag gegen Amazon aus.“ Drei Wochen später sind die kirchlichen Würdenträger wieder geerdet. Ihnen macht ein Schmuddelskandal zu schaffen.

Die Teufeleien sind in Zehntausenden Titeln versteckt. Es geht um Erotikromane wie „Sündiges Geständnis“, in dem es um „scharfe Sexphantasien“ geht, oder um Bildbände wie „Das vollständige Kamasutra“. Weltbild hat auch DVDs mit Filmen wie „Intimacy“ im Sortiment. Dieser Streifen dreht sich um das Thema „Sex mit einem Unbekannten“. Und als wäre diese Angebotspalette nicht schon anstößig genug, bietet das Handelshaus auch Bücher für Atheisten, Homosexuellen-Comics und kirchenkritische Belletristik wie die Dan-Brown-Romane (zum Beispiel „Illuminati“) an.

Seit drei Jahren kämpft die Initiative „Katholisches! Weltbild“ gegen die als schmutzig angesehenen Inhalte und fühlt sich von den Kirchenoberen mißachtet. Offizielle Reaktionen seitens der Diözesen, denen Weltbild gehört, gab es zunächst keine.

Daher treibt Bernhard Müller, Chefredakteur des romtreu-katholischen Magazins Pur, die Frage nach der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche um, wenn diese „ein milliardenschweres Unternehmen wie den Weltbild-Medienkonzern“ unterhalte, „der aber kein kirchliches Weltbild vermittelt, sondern ganz auf Kommerz ausgerichtet ist“. So verdiene die Kirche durch den Verkauf von Sex, Esoterik und Horror Millionen.

Die katholische Kirche weist diese Vorwürfe, vor allem die Gleichsetzung mit Pornoproduzenten, brüskiert zurück. Wenn ihre Angaben stimmen, dann ist das Geschäft längst nicht so einträglich, wie die Kritiker behaupten. 0,01 Prozent des Gesamtumsatzes (etwa 160.000 Euro) habe Weltbild im abgelaufenen Geschäftsjahr mit Produkten aus dem Erotiksortiment gemacht. Und überhaupt: Erotikliteratur sei etwas anderes als Pornos.

Trotzdem fragen sich viele Katholiken, ob ein katholisches Unternehmen so ein Sortiment führen und ausbauen müsse. Denn gleichzeitig ist die Bedeutung der religiösen Bücher gesunken. Schon 1996 waren nur noch 25 von 1.200 im Versandhandel angebotenen Titeln religiöse. Dafür gab es zahlreiche psychologische und esoterische Bücher im Angebot. Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, gab sich 2008 gegenüber dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel moderat: Die Möglichkeit, durch Weltbild mit der ganzen Gesellschaft zu kommunizieren, sei dieses Wagnis wert. Bedingung sei, daß christliche Werte den Maßstab des Handelns bestimmen.

Der Weltbild-Chef Carel Halff hat bewiesen, daß unter diesen Bedingungen auch mit religiösen Büchern Geld verdient werden kann. Beispiele sind die Begleitbücher zur Verfilmung des Alten Testaments in der ARD, der Verkauf von 35.000 „Hundertwasser“-Bibeln für je 985 Euro oder – zusammen mit der Bild-Zeitung – einer „Volksbibel“ mit Goldprägung für 9,95 Euro.

Der Weltbild-Kunde bilde die Mitte der Gesellschaft, meint Halff. Es handle sich um einen durchschnittlichen Mediennutzer, der in seinen Interessen nicht spezialisiert ist und immer neu animiert werden muß. Achtzig Prozent der Kunden würden das ganze Jahr keine Buchhandlung betreten.

Trotzdem finden die Kritiker immer mehr Gehör. In einem Beitrag für Welt-Online hat Pur-Chef Müller in der vergangenen Woche mehrere vermeintliche Porno-Bücher aufgelistet, die er bei Weltbild entdeckt hat. Auch seien nahezu alle kirchenfeindlichen Schriften zu finden.

„Ein kirchlicher Wirtschaftsbetrieb steht naturgemäß unter besonders scharfer Beobachtung, was seine Inhalte angeht“, ahnte das FAZ-Feuilleton einmal in einem Beitrag über den Weltbild-Verlag und seine 17 Millionen Kunden. Andererseits spiegle Weltbild den Zustand der Gesellschaft wider. Unangemessen sei es, der Verlagsgeschäftsführung zu unterstellen, daß ihr Geschäft und Wachstum wichtiger als die Moral ist.

Vielleicht wird mit dem jetztigen Skandal nur eine neue Runde im Verkaufspoker eröffnet. Die Kirche will Weltbild angeblich seit Jahren verkaufen. Seit 2008 steht eine Veräußerung des Verlags, dessen Wachstumsperspektiven „über die ursprünglichen Kernvorstellungen der Bischöfe“ hinausgegangen seien, im Raum, wie Halff der Augsburger Allgemeinen verraten hat.

Neu programmierte Filter auf der Weltbild-Internetseite, auf die der Münchner Kardinal Reinhard Marx setzt, werden der Kirche nicht aus dem derzeitigen Dilemma helfen. Die Mindestforderung der Kritiker dürfte der Verkauf der Anteile am Verlag Droemer Knaur sein, weil dieser erotische Literatur herausgibt. Inzwischen arbeitet Weltbild aber auch selbst fieberhaft an der Zusammensetzung seines Sortiments. Seit Beginn dieser Woche sind die meisten Erotiktitel aus dem Online-Angebot verschwunden oder zumindest ihre anstößigen Titelseiten unkenntlich gemacht. Wer jetzt nach „Erotik“, „Sex“ oder die in der Welt angeprangerten Titel wie „Schlampen-Internat“ sucht, der findet die entsprechenden Titel nicht mehr. Der jahrelange Protest der katholischen Basis hat zu dem gewünschten Ergebnis geführt.

 

Eine Konstante im Buchgeschäft

Die Verlagsgruppe Weltbild ist aus einem 1948 gegründeten katholischen Zeitschriftenverlag hervorgegangen und zählt heute nach eigenen Angaben 6.500 Mitarbeiter. Der Umsatz von insgesamt 1,65 Milliarden Euro jährlich wird zur Hälfte in 330 Filialen erwirtschaftet – dann kommen der Onlinehandel und der Versandhandel. Insgesamt ist die Verlagsgruppe Weltbild damit die Nummer eins im stationären Buchhandel in Deutschland, die Nummer zwei im Online-Buchhandel (nach Amazon) und die Nummer drei im gesamten Online-Handel (nach Ebay und Amazon). (rg)

Foto: Angebotene Bücher bei Weltbild: Ein ständig wachsendes Angebot aus dem Segment Erotikliteratur verärgert die katholische Stammkundschaft

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