© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Volkstrauertag
Anteilnahme statt Phrasen
Ulrich Kronenberg

Kriegswaisen und Kriegerwitwen waren lange Zeit das Schicksal einer anderen Generation – letztlich weit weg. Als Dorfpfarrer in der Westpfalz mußte ich Jahr für Jahr am Volkstrauertag miterleben, wie der Sinn dieses Tages immer weiter entleert wurde und oft zur bloßen Phrasendrescherei einer merkwürdigen Gutmenschenideologie verkam. Das tat mir weh.

Als Militärpfarrer bekam ich im vergangenen Jahr den traurigen Auftrag, einer Mutter den Tod ihres einzigen Sohnes mitzuteilen, der in Afghanistan gefallen ist. Hautnah erlebbar war auf einmal das Schicksal einer Familie, wenn heute ein Mensch im Dienst für das Vaterland sein Leben hingibt und nur noch tot in die Heimat zurückkehrt. Es war für mich erschütternd, die Tragödie mitzudurchleiden, wenn ein werdender Vater sein Leben lassen muß im Wahnsinn des Krieges – und eine Lücke hinterläßt, die nicht zu schließen ist. Das deutsche Volk hat allen Grund, sich in Ehrfurcht und Demut vor seinen toten Söhnen zu verneigen, anstatt in „höflichem Desinteresse“ zu verharren und die trauernden Angehörigen zu vergessen. Das ist mein Wunsch zum Volkstrauertag 2011.

 

Ulrich Kronenberg ist evangelischer Pfarrer in Speyer und betreute als Militärseelsorger Soldaten der Bundeswehr im Feldlager von Kabul/Afghanistan.

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