© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Merkels trauriges Leben ohne Türken
Marcus Schmidt

Angela Merkel hat als DDR-Bürgerin eine Menge versäumt. So sei es ihr leider nicht möglich gewesen, mit türkischen, italienischen oder spanischen Kindern zur Schule zu gehen, bedauerte sie in der vergangenen Woche beim Festakt  der Bundesregierung zum 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens. Das stimme sie traurig, versicherte sie den Festgästen, unter denen zahlreiche türkische Gastarbeiter der ersten Generation waren.

Die Feierstunde im Weltsaal des Auswärtigen Amtes war der Höhepunkt einer nicht abreißen wollenden Reihe von Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen und Diskussionsrunden zur Erinnerung an die Anwerbung der ersten türkischen Gastarbeiter im Jahr 1961. Daß der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eigens aus Ankara nach Berlin reiste und Merkel trotz der dichten Folge von  EU-Sondertreffen und G-20-Gipfel den Termin nicht platzen ließ, zeigt, welche Bedeutung sowohl die türkische als auch die deutsche Regierung dem Anwerbeabkommen – und vor allem seinen heute spürbaren Auswirkungen – beimessen. Das Original der Urkunde des Anwerbeabkommens war für den Festakt eigens aus dem Archiv geholt worden und wurde wie eine Kostbarkeit im Foyer in einer Vitrine ausgestellt.

So war denn auch viel von deutsch-türkischer Freundschaft die Rede, deren Wurzeln der geschichtsbewußte türkische Regierungschef mit der Zeit der Kreuzzüge und der Waffenbrüderschaft zwischen Deutschen und Osmanischem Reich im Ersten Weltkrieg in Verbindung brachte. Doch bei aller Freundschaft vertrat Erdogan erneut die knallharte Position, daß seine nach Deutschland eingewanderten Landsleute und ihre Nachkommen immer  Türken bleiben – auch wenn sie einen deutschen Paß haben. Assimilation sei genauso wie der Antisemitismus ein Vergehen an der Menschheit, sagte Erdogan und erntete von Merkel nur matten Widerspruch.

Die Bundeskanzlerin lobte stattdessen, daß die türkischen Einwanderer für außerordentlich viele Veränderungen in Deutschland gesorgt und das Land mitgeprägt hätten. „Sie sind ein Teil von Deutschland. Sie gehören dazu“, sagte Merkel. Durch die Einwanderer aus der Türkei sei Deutschland reicher geworden, weil es vielfältiger geworden sei.

Die handverlesenen Gastarbeiter der ersten Generation im Weltsaal des Auswärtigen Amtes, unter ihnen viele Frauen, die sich sichtbar stolz über die Ehre, an dem Festakt teilnehmen zu dürfen, besonders herausgeputzt hatten, hörten Merkels Ausführungen mit sichtlicher Freude. So manche Träne floß. Auffällig war, daß nur zwei der Frauen Kopftücher trugen. Geschickte Regie oder einfach nur Zufall?

Bei einigen Gästen im Publikum  sorgte die Feier dennoch für Unbehagen. „Das Thema hängt einem langsam zum Hals hinaus“, sagte eine Frau, und ein neben ihr sitzender bekannter türkischer Unternehmer bezweifelte die Aufrichtigkeit der Veranstalter. „Manche meinen, sie müßten diese Feiern machen, aber es kommt nicht von Herzen.“ Doch da war Merkel schon wieder weg. Den Euro retten. Ganz ohne Türken.

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