© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Premier Papandreou sagt Euro-Referendum ab und tritt zurück
Der Möchtegern-Odysseus
Markus Brandstetter

Als in der letzten Woche die rosenfingrige Eos sich über Griechenland erhob, da rieb sie sich die Augen: Zum ersten Mal seit Perikles wagten die Griechen wieder einen Versuch mit der Basisdemokratie: Nicht das Parlament, sondern freie Griechen sollten über die Zumutungen der EU-Rettungspakete abstimmen.

Bei Homer ist Odysseus der listigste und schlaueste aller Griechen. Premier Giorgos Papandreou, der bislang weder als Kenner der Antike noch als Logiker aufgefallen ist, muß in den letzten Woche eben dieser Odysseus in den Sinn gekommen sein, als er sich folgenden Syllogismus zurechtlegte: Odysseus war Grieche. Odysseus war listig und schlau. Ich bin auch Grieche. Deshalb bin auch ich listig und schlau. Also verkündete er der staunenden Welt, daß es ein Referendum geben werde, in dem alle Griechen über die EU-Schuldenvereinbarung abstimmen würden. Das versetzte die Finanzmärkte in Untergangsstimmung, die EU-Politiker schlugen die Hände über dem Kopf zusammen.

Jeder schien zu wissen: In einer Volksabstimmung würden die Griechen natürlich gegen Schuldendeal und Sparmaßnahmen stimmen. Ergo wäre Griechenland aus der EU draußen, die heißgeliebte Staatengemeinschaft verloren, der Euro am Ende. Plötzlich waren sich alle Europäer über Parteien und Fraktionen hinweg einig: Demokratie ist grundsätzlich eine schöne Sache, wenn es aber wirklich um was geht, dann lieber nicht.

Ganz Europa war sich darin einig, bis auf zwei wichtige Europäer, Frank Schirrmacher und Jürgen Habermas. Der FAZ-Mitherausgeber griff in die rhetorische Harfe und protestierte markig gegen den Primat der Märkte gegenüber dem republikanischen Prinzip. Der Philosoph stieß in dasselbe Horn und warf Deutschland und Frankreich vor, einen postdemokratischen Weg eingeschlagen zu haben. Der müsse notwendigerweise scheitern, weil die ganze Zeit in Kabinetten und Hinterzimmern gemauschelt werde, was an den Wahlurnen zu entscheiden wäre.

Das sind späte, aber berechtige Einwände zweier Männer, die zwar bislang der EU und ihren Institutionen immer das Wort geredet haben, nun aber einsehen, daß, je länger die EU existiert, das Volk als Souverän zugunsten einer metternichschen Kameralpolitik nach und nach entbehrlich wird.

Nur geht die Kritik am Kern der Sache vorbei: Papandreou hatte nie vor, eine Volksabstimmung zu veranstalten. Das alles war von Anfang an eine Finte. Mit der Ankündigung des Referendums wollte Papandreou zum einen Deutschland und Frankreich in die Knie zwingen und zum anderen die Griechen hinter sich scharen. Beides ist mißlungen. Jetzt ist der griechische Premier am Ende. Der nächsten Regierung soll er schon gar nicht mehr angehören. Es ist eben ein großer Unterschied, ob einer wie Odysseus listig, klug und weise ist – oder einfach nur verschlagen und hinterfotzig.

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