© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/11 / 11. November 2011

Blick in die Medien
SPD Engenhahn –Netzseite mit Potential
Toni Roidl

Die bräsigen Gutsherren von den „Qualitätsmedien“ blicken auf das Internetvolk herab. Ein ZDF-Moderator rümpfte unlängst seine feine Nase über das „Unternet“. Doch die sozialen Netzwerke lassen die etablierten Medien in puncto Kampagnenfähigkeit und schneller Mobilisierung alt und lahm aussehen. Davon konnte die SPD-Ortsgruppe Engenhahn nun auf skurrile Weise profitieren.

Die 30 Sozis des Kaffs im Rheingau-Taunus-Kreis sagen sich mit Fuchs und Hase gute Nacht. Um sich an die große weite Welt anzuschließen, haben sich die Hessen eine Internetseite gestrickt. Das Ergebnis ist eine ästhetische Katastrophe: Schriftensalat, quietschende Farben, albern animierte Icons, peinliche Fotos.

Darüber amüsierte sich ein unbekannter Surfer so sehr, daß er den Link www.spd-engenhahn.de an einen Freund schickte. Und der an einen anderen. Und dieser an einen weiteren. Der Guck-Tip mit hämischen Kommentaren („Meine Augen!“) verbreitete sich explosiv im Netz. Innerhalb eines einzigen Tages schnellte der Zähler der Seite von 5 (in Worten: fünf!) auf 70.000 Besucher! Auf Facebook wird über den SPD-Ortsverband im Taunus diskutiert; auf Twitter waren die Sozis und ihr Homepage-GAU unter den Top-15-Nachrichten! Inzwischen hat selbst Spiegel Online von der Geschichte Wind bekommen und darüber berichtet.

Die Netzseiten-Betreiber freuen sich über die unerwartete Aufmerksamkeit. Das Design haben sie nicht verändert: Nach wie vor ist der mit der Nagelschere ausgeschnittene Parteivorsteher perspektivisch schief ins Ortspanorama montiert; lacht der Gelbe Sack mit aufgemaltem Gesicht vom Abfallkalender. Merke: Auch mit optischer Körperverletzung läßt sich „Marke machen“. Vermutlich völlig unbewußt haben die Provinz-Politiker die erste Regel der Mediengesellschaft umgesetzt: Der Inhalt ist egal – Aufmerksamkeit ist alles.

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