© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Neue Führung, alte Probleme
NPD: Distanzierung von Terrorzelle / Der sächsische Fraktionsvorsitzende Holger Apfel löst den langjährigen Parteichef Udo Voigt ab
Henning Hoffgaard

So hatte sich Holger Apfel seinen ersten Arbeitstag als NPD-Parteichef sicherlich nicht vorgestellt. „Wer angesichts dieser Bestialität auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, dies könne im Sinne meiner Partei und meiner Fraktion sein, ist entweder unzurechnungsfähig oder agiert aus durchsichtigem politischen Interesse“, sagt er am Montag mit Blick auf die rechtsextremen Serienmörder, die in den vergangenen 13 Jahren zehn Menschen umgebracht haben sollen (siehe Seite 7). Stattdessen, fordert der sächsische Fraktionschef, sollten sich die Medien lieber auf die „Involvierung des sogenannten Verfassungsschutzes“ konzentrieren. Die drei Täter sind für ihn eine „Verbrecherbande“, die ihre Taten mit Wissen der Verfassungsschutzämter begangen hätten.

Auf dem NPD-Parteitag am Wochenende in Neuruppin hatten noch ganz andere Dinge eine Rolle gespielt. Nach einer wochenlangen Schlammschlacht zwischen den Anhängern des langjährigen Parteichefs Udo Voigt und seinem sächsischen Herausforderer wollten die etwa 210 Delegierten endlich eine Entscheidung.

Mehrfach mußte der Parteitag zuvor verlegt werden. Viele Kommunen hatten es abgelehnt, der NPD ihre öffentlichen Räume zur Verfügung zu stellen. Am Ende kamen 85 Absagen zusammen. Auch die Stadtverwaltung in Neuruppin ließ keine Ausrede aus, die Parteiveranstaltung irgendwie zu verhindern.

Erst erkrankte ein Hausmeister, dann hätte man einen falschen Termin eingetragen, schließlich mußten ein Blitzschlag und fehlende Stühle herhalten. Aus der angekündigten Gegendemonstration wurde allerdings nichts. Rund 80 Menschen stehen schließlich unweit des Kulturhauses „Stadtgarten“ und empfangen die Delegierten mit Pfiffen. Mit sorgenvollem Blick schaut sich eine Kioskbesitzerin die Szenerie an. „Hoffentlich bleibt alles ruhig“, sagt sie und ärgert sich, daß die zwei Hundertschaften der Polizei sich ihren Kaffee selbst mitgebracht haben.

Drinnen geht die Debatte währenddessen in die erste Runde. Die Fronten sind von Anfang an klar. Hinter Voigt stehen ein Großteil des Parteivorstands und vor allem die alten Parteikader. Um Apfel haben sich die jungen NPD-Delegierten geschart, die auf den Bundesvorstand derzeit keinen Einfluß haben. Doch nicht nur der Altersunterschied trennt den 59 Jahre alten Voigt von seinem 19 Jahre jüngeren Herausforderer. Apfel will das öffentliche Bild der Partei aufpolieren, mit der Vergangenheitsfixierung Schluß machen und so neue „bürgerliche Wählerschichten“ erreichen. Voigt dagegen verspricht, unter ihm werde die Partei weiter „radikal, sozial und national“ bleiben: „Wir müssen Kurs halten“, wirbt er um Stimmen. „Ich werde solange Gas geben“, sagt er mit Blick auf den Berliner Wahlkampf, „wie ihr mich Gas geben laßt.“ So richtig ziehen wollen die alten Parolen nicht mehr. Viele Delegierte empfinden die Rede ihres Parteivorsitzenden als schwach. Noch während die Rechenschaftsberichte der einzelnen Parteiorganisationen abgegeben werden, bearbeitet Apfel die Delegierten, schüttelt Hände und klopft Schultern. Selbst zu Wort melden will er sich erst, nachdem die Pressevertreter ausgeschlossen worden sind.

Stattdessen ergreift Udo Pastörs, Fraktionschef in Schwerin, das Wort. Er war 2009 gegen Voigt angetreten und deutlich unterlegen. Jetzt will er alte Rechnungen begleichen und greift den Parteivorsitzenden heftig an. Von einem „Saustall“ spricht er mit Blick auf den Bundesvorstand und beklagt die finanzielle Mißwirtschaft in der Partei. Ihren Höhepunkt erreicht die  Schlammschlacht zwischen den Anhängern beider Lager, als sich der Berliner Landesvorsitzende und Voigt-Vertraute Uwe Meenen lautstark darüber beschwert, er sei von Anhängern Apfels als „Homosexueller und Verfassungsschutzspitzel“ diffamiert worden.

Schließlich meldet sich Apfel doch zu Wort. Die Vorwürfe seien „unterste Schublade“, das „Führungsproblem“ in der Parteizentrale müsse jetzt behoben werden, fordert er. Der Applaus ist groß. Apfel hat den Sieg in der Tasche. 126 Delegierte stimmen schließlich für ihn. Voigt kommt auf 85. Auch bei den anderen Personalentscheidungen setzt er sich weitgehend durch. Lediglich der Thüringer Landeschef Frank Schwerdt macht ihm einen Strich durch die Rechnung und setzt sich im Kampf um einen der vier Posten als stellvertretender Parteivorsitzender gegen Apfels erklärten Wunschkandidaten Frank Franz durch. Der neue Parteichef strahlt am Ende trotzdem. Viel zu lachen haben wird er in den kommenden Wochen nicht mehr.

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