© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Supermario schlägt Silvio
Italien: Auch der Sturz Berlusconis hilft dem Land nicht aus der Krise
Paola Bernardi

Es schien, als wenn niemand ihn in die Knie zwingen könnte: Weder die italienische Justiz, die ihm mit zig Prozessen von Steuerbetrug, Bestechung, Förderung der Prostitution Minderjähriger bis hin zur Mafia-Nähe jahraus, jahrein auf den Fersen war, weder Wahlniederlagen, Straßenkrawalle und nicht einmal der Abfall seines Parteifreundes Gianfranco Fini (JF 34/10) ließen ihn vom Weg abkommen. Geschickt entzog er sich mittels einer Amnestie einer Verhaftung und überstand gerade in den letzten Monaten ein Vertrauensvotum nach dem anderen.

Silvio Berlusconi, dreimaliger italienischer Ministerpräsident, schien wie ein ewiges Stehaufmännchen. Doch nun haben ihn die Ratingagenturen und die internationalen Börsen scheinbar besiegt. Italien steht unter Brüsseler Kontrolle und wird zudem auch noch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zusätzlich überwacht.

Berlusconi gab „freiwillig“ auf, und an seiner Stelle hat durch ein politisches Manöver, das viele unverblümt als „kalten Staatsstreich“ bezeichnen, Staatspräsident Giorgio Napolitano, ehemaliger Kommunist, den 68jährigen Technokraten Mario Monti eingesetzt. Berlusconis Abgang wurde von linken Demonstranten bis tief in die Nacht in den Straßen Roms und Mailands bejubelt.

Über Nacht scheint das Kapitel Berlusconi endgültig zugeschlagen. Daß Berlusconi ein Selfmademan und ein genialer Unternehmer ist, billigten ihm selbst seine ärgsten Feinde zu. Er verkörperte die atemberaubendste Erfolgsgeschichte der italienischen Nachkriegszeit. Ein Sieger im Triathlon: Wirtschaft, Medien und Politik.

Der politische Aufstieg des Multimillionärs, Baulöwen und Besitzers von Fernsehstationen, Warenhäusern, Zeitungen, Buchverlagen, Versicherungen und des Fußballclubs AC Mailand begann in der Zeit der „Ersten Republik“, als Italiens Christdemokraten und Sozialisten regierten. Doch 1992 setzte die italienische Justiz ihre Hebel an und fegte die Christdemokraten und Sozialisten von der Bühne. „Mani pulite“ („Saubere Hände“) nannte sich diese Aktion. Der damalige sozialistische Ministerpräsident Bettino Craxi mußte nach Tunesien fliehen.

Diese Richter-Offensive öffnete die politische Bühne für den Cavaliere. Innerhalb von einem halben Jahr stampfte er seine Bewegung „Forza Italia“ aus dem Boden. Gemeinsam mit dem Bündnis von Finis Nationaler Allianz und Umberto Bossis Lega Nord gewann Berlusconi 1994 mit überwältigender Mehrheit seine ersten Wahlen. Mit zwei Unterbrechungen regierte er seitdem Italien. Acht Jahre saß er auf der Oppositionsbank, um dann wieder siegreich in den Regierungssitz Palazzo Chigi einzuziehen. Zweimal hatte die Linke die Chance, es besser zu machen. Sie wurde abgewählt. Acht Oppositionsführer hat Berlusconi an sich vorbeiziehen lassen. Kollossal sein Triumph bei den Parlamentswahlen im Jahr 2008. Berlusconis Mitte-Rechts-Block erreichte 46,8 Prozent und verfügte über eine klare Mehrheit von 340 von 630 Kammerabgeordneten. Auch im Senat gab es eine komfortable Mehrheit. Jubelnd rief Berlusconi: „Ich umarme alle Italiener von Herzen“, und versprach, „jeden Abend erst dann ins Bett“ gehen zu wollen, wenn er „etwas Positives verwirklicht habe“.

Rauch von gestern. Nun soll der als „Supermario“ bekannte EU-Wettbewerbskommissar mit einem technischen Kabinett Italien aus der Schuldenkrise führen. Der einst von Berlusconi zum EU-Wettbewerbskommissar in Brüssel ernannte und nun von Napolitano zum „Senator auf Lebenszeit“ erhobene Parteilose Monti gilt als Vertrauensmann Brüssels und der internationalen Finanzkreise und wurde mit viel Vorschlußlorbeeren ausgestattet.

Doch die Stimmung im Land bleibt gedämpft. Schnell ist die Berlusconi-ist-weg-Euphorie verpufft. Auch Monti wird es schwer haben, denn auch er braucht die Mehrheit hinter sich. Schon verkündete Lega-Chef Umberto Bossi, in die Opposition zu gehen: „Die Lega Nord wird eine Regierung von Putschisten niemals unterstützen.“

Foto: Scheiden tut weh: Berlusconis letzter Auftritt als Ministerpräsident Italiens am 12. November

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