© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/11 / 18. November 2011

Nicht kreditwürdig
Euro-Krise: Die Anleihen des Rettungsfonds EFSF sind nur für risikofreudige Anleger zu empfehlen / Letzter Bürge Deutschland?
Wolfgang Philipp

Am 2. November schreckte die Meldung auf, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) habe die Emission einer drei Milliarden Euro schweren Anleihe zur Finanzierung des Hilfsprogramms für Irland verschoben. Vorige Woche wurde die Anleihe Euro-Rettungsfonds mit einer Laufzeit von zehn Jahren dann doch noch plaziert. Investoren aus der ganzen Welt hätten sogar drei Milliarden Euro mehr angeboten, teilte EFSF-Chef Klaus Regling mit. Aber die erste EFSF-Anleihe im Januar war hingegen noch neunfach überzeichnet gewesen.

Die zunehmende Skepsis überrascht nicht. Die EFSF ist 2010 von den Euro-Staaten als Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts gegründet worden. Sie soll in Not geratenen anderen Euro-Staaten bis zu 440 Milliarden Euro (im Falle der „Hebelung“ bis zu zwei Billionen Euro) zukommen lassen. Die anfallenden Beträge müssen fremdfinanziert und die Anleger davon überzeugt werden, daß der seltsame Schuldner EFSF kreditwürdig ist. Eine rechtliche Betrachtung ergibt, daß Anleger, die das Ganze voll verstanden haben, die von der EFSF angebotenen Papiere nicht kaufen werden, weil die Risiken zu hoch sind:

1. Das Grundkapital der EFSF AG beträgt nur 28,4 Millionen Euro – bei einem Kreditrahmen von 440 Milliarden Euro. Während die EU von den Geschäftsbanken verlangt, künftig ein Eigenkapital von mindestens neun Prozent ihrer Kreditvolumina vorzuhalten, mißachtet sie diese Regel bei der EFSF, obwohl diese der Sache nach auch eine Bank ist. Wenn die EFSF die Kreditwürdigkeit von Banken erreichen soll, müßte sie ein Kapital von rund 40 Milliarden Euro ausweisen. Die Kapitalverhältnisse der EFSF AG sind also keine Vertrauensgrundlage für einen Kredit.

2. Wenn es der EFSF gelingt, Gelder aufzunehmen, verwendet sie diese statt für gewinnbringende Investitionen als „Sozialhilfedarlehen“ für schwache Euro-Staaten. Sie ist davon bedroht, auf ihre Ausleihungen schon frühzeitig Abschreibungen tätigen zu müssen, was ihren Insolvenzfall auslösen kann – wie bei jeder anderen AG auch. Einem solchen Unternehmen gibt niemand Kredit.

3. Die Kreditwürdigkeit der EFSF soll darauf beruhen, daß die Euro-Staaten sich gegenüber den Anlegern dafür verbürgen, die EFSF werde Zins und Tilgung pünktlich leisten. Auch diese Behauptung trägt nicht: Die einzelnen Staaten haften nach Maßgabe ihrer EFSF-Beteiligung nicht als Gesamtschuldner, sondern nur als Teilschuldner. Kommt es zum Sicherungsfall, müssen die Gläubiger sämtliche Bürgen jeweils wegen größeren oder kleineren Teilbeträgen nach unterschiedlichen Bürgschaftsrechten der einzelnen Länder in Anspruch nehmen. Eine solche „Sicherheit“ wird schon vom Aufwand her kein vernünftiger Mensch akzeptieren.

Von den 17 Bürgen fallen fünf von vornherein aus: Griechenland, Irland und Portugal sind bereits Hilfsempfänger, Italien und Spanien Wackelkandidaten. Damit fallen 36,6 Prozent aller Bürgschaften weg. Nach Paragraph 8 des Grundlagenvertrages haben bei Wegfall von Bürgen, die dann Stepping Out Guarantor (SOG) heißen, die verbleibenden Sicherungsgeber bis zu ihrer individuellen Höchsthaftung deren Bürgschaften zu übernehmen. Der Haftungsrahmen ist jetzt mit 780 Milliarden Euro festgelegt, wovon auf Deutschland 27,1 Prozent, also 211 Milliarden Euro entfallen. Das sind rund 48 Prozent des maximalen Kreditvolumens von 440 Milliarden Euro. So haften die „übrigbleibenden“ Bürgen auch noch für die Zahlungsfähigkeit ihrer Mitbürgen.

Dann können aber gerade deshalb auch sie überfordert und zu SOG werden. Unter Umständen kann die Gesamtheit der Bürgschaften sogar niedriger als die zu verbürgenden Forderungen gegen die EFSF werden. Die Gläubiger sind insoweit schon formell ohne Sicherheit. Bliebe Deutschland als einziger Bürge übrig, so haftete es für den Höchstbetrag von 211 Milliarden Euro, der Rest der Darlehen bis zur Höhe von 440 Milliarden Euro wäre ungesichert.

Die EFSF ist eine „Selbsthilfegruppe“ von 17 selbst mehr oder weniger hoch verschuldeten Staaten, die sich gegenseitig dagegen „versichern“, insolvent zu werden. Als „Anleger“ kann man zu einem „Verein“ von Staaten, die selbst damit rechnen, ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können, kein Vertrauen haben. Auch sind die entsprechenden Bürgschaftsmittel nicht vorhanden. Sie müssen durch Nachtragshaushalte, verbunden mit der Aufnahme von Fremdkapital, erst beschafft werden, was großen Schwierigkeiten begegnen kann.

Daß der EFSF von den Ratingagenturen das „AAA“ verliehen wurde, läßt sich nach der Prüfung der Rechtsverhältnisse nicht rechtfertigen. Auch hilft es den Gläubigern nichts, wenn nach Zeichnung von EFSF-Anleihen die Agenturen das Rating verschlechtern, was Abschreibungsbedarf auslösen kann.

4. Die jüngste EFSF-Anleihe konnte nur mit einer Rendite von knapp 3,6 Prozent plaziert werden. Vergleichbare Bundesanleihen kosten nur 1,8 Prozent. Das hat zur Folge, daß die EFSF ihre Stabilitätshilfen recht hoch verzinslich stellen muß, weil sie neben ihren Finanzierungskosten auch eine Marge für eine Vergütung der Sicherungsgeber hereinholen muß. Je höher diese Zinsen sind, desto schneller wird der Sinn des Ganzen gefährdet. Die erste fünfjährige EFSF-Anleihe konnte noch mit 2,75 Prozent untergebracht werden. Wenn die EFSF das Fremdkapital nicht auftreiben kann ist sie am Ende – das Rettungsschirmprojekt bricht damit zusammen.

Foto: Vergebliches Betteln um Euro-Rettungsmilliarden: Nur höhere Zinsen können noch Investoren anlocken

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen