© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

Ägypten vor der Wahl
Tief gespalten
Günther Deschner

Neun Monate nach Beginn ihrer Revolution und zum Start des Wahlkampfs sind die Ägypter in Massen auf den Befreiungsplatz zurückgekehrt. Es sind nicht mehr die jugendlichen Revolutionäre, die Tempo und Richtung vorgeben, sondern in erster Linie die Muslimbrüder und ihre salafistischen Konkurrenten. Der ursprünglich kürzer befristete Übergangsprozeß soll nach den Plänen des Militärs nun erst 2013 durch die Wahl eines neuen Präsidenten zum Abschluß kommen.

Die Bevölkerung scheint in zwei Lager gespalten – das säkulare und das muslimische. Die Muslimbrüder und die Salafisten scheinen die besten Aussichten zu haben, durch diese Wahlen an Macht zu gewinnen. Ihre Millionen Aktivisten haben sämtliche Wände und Mauern mit dem Slogan „Der Islam ist die Lösung!“ bepinselt und beklebt. Die Salafisten erhalten viel Geld für Werbung aus Saudi-Arabien, die Muslimbrüder von ägyptischen Gönnern. Dominanz und flächendeckende Präsenz der islamistischen Gruppen beunruhigen die Anhänger eines säkular ausgerichteten Staats. Auch die starke christliche Minderheit der Kopten gehört zu ihnen. Doch sie sind in so viele unterschiedliche personell und ideologisch konkurrierende Kleingruppen fragmentiert, daß sie im Wahlkampf kaum erkennbar sind. Vor die Wahl zwischen Muslimbrüdern und säkularen Politikern gestellt, werden sich wohl viele wünschen, daß die Armee die Macht behält.