© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/11 / 25. November 2011

Politisches Arsenal
Am vergangenen Wochenende wurde in Berlin die Bibliothek des Konservatismus eingeweiht / „Historisches Ereignis“
Hans-Peter Rissmann

Dichtes Gedränge herrschte am vergangenen Freitag im ersten Stock der Fasanenstraße 4 in Berlin. Über 120 geladene Gäste wohnten dem Moment sitzend und – mangels Platz – stehend bei, als Regina von Schrenck-Notzing gemeinsam mit Dieter Stein das rote Band durchschnitt, das die Zuschauer von den langen, hohen Buchregalen trennte. Dieser symbolische Akt öffnete den Zugang zu einer Bibliothek, wie sie kein zweites Mal in Deutschland zu finden ist.

Mit der Bibliothek des Konservatismus bietet die Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) die erste Forschungseinrichtung mit einem Präsenzbestand dieses exklusiven geistesgeschichtlichen Zuschnitts. Ideen zu diesem Vorhaben sind alt: Dieter Stein, Chefredakteur der JUNGEN FREIHEIT und FKBF-Stiftungsratsvorsitzender, zitierte in seiner Rede aus einem Text des im April 2011 verstorbenen konservativen Publizisten Gerd-Klaus Kaltenbrunner, der 1970 als Reaktion auf die 68er-Revolte und den Vormarsch der Linken an den Universitäten gefordert hatte: „Es bedarf der Förderung der konservativen Sache in der Publizistik, des Einbruchs konservativer Zeitschriften in die Gruppe der meinungsbildenden Publikationsorgane, der Veranstaltung konservativer Tagungen, Seminare und Kongresse, der Errichtung konservativer Akademien und Bibliotheken.“

Daß es vierzig Jahre dauern würde, eine solche Bibliothek zu verwirklichen, das verweist auf den Mangel an Organisationskraft und die weitverbreitete Unterschätzung von privaten Institutionen durch Konservative, die zu lange staatsgläubig darauf vertraut hatten, daß konservative Eliten in Beamtenschaft, Hochschule, Justiz und Militär von selbst zu regenerieren wären.

Anfang der neunziger Jahre war der Versuch konservativer Studenten in München fehlgeschlagen, schon einmal ein solches Projekt zu realisieren. Die Planungen für die jetzige Bibliothek gehen in das Jahr 2007 zurück, als Dieter Stein vom Gründer der Stiftung FKBF, Caspar von Schrenck-Notzing, den Stiftungsvorsitz übernahm. Schrenck-Notzing, Doyen des deutschen Nachkriegskonservatismus, hatte aus diesem Anlaß die Zukunft seiner großen privaten Forschungsbibliothek aufgeworfen – und damit den Anstoß gegeben, die alte Idee wiederzubeleben und schon zu seinen Lebzeiten die Überführung in eine öffentliche Bibliothek zu vollziehen.

Im Jahre 2008 waren zunächst 20.000 Bände aus Schrenck-Notzings Privatbibliothek von München nach Berlin gebracht und in den provisorischen Räumen der Stiftung aufgestellt worden. Mit Wolfgang Fenske (siehe Interview Seite 3) konnte ein ausgewiesener Kenner der konservativen Geistesgeschichte gewonnen werden, der als Leiter gemeinsam mit den akademisch ausgebildeten, bibliothekarisch geschulten und seit 2009 festangestellten Mitarbeitern der Stiftung Marc Haessig mit der Sichtung, Erfassung und Neuordnung der Bestände begann.

Über 15.000 Titel konnten mittlerweile im System des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) der norddeutschen Länder erfaßt werden, dem die FKBF-Bibliothek seit 2009 angehört.

Mit einem eigenen den Standards wissenschaftlicher Bibliotheken entsprechenden Online-Katalog OPAC (Online Public Access Catalogue) lassen sich die von der Bibliothek erfaßten Titel inzwischen weltweit recherchieren, wie Bibliotheksleiter Wolfgang Fenske den Gästen erläuterte.

Zu den 20.000 Bänden des Schrenck-Notzing-Bestandes trat neben zahlreichen Bücherspenden von Förderern inzwischen die mit weiteren 8.000 Bänden namhafte Privatbibliothek des 2008 verstorbenen konservativen Sozialphilosophen Günter Rohrmoser hinzu. Auf 60.000 Titel schätzt Fenske den Bestand der Bibliothek, deren bibliographische Erschließung bei der jetzigen personellen Ausstattung jedoch noch Jahre dauern werde.

Den Kern der Sammlung bildet ein in Deutschland einmaliger Bestand an Büchern, Flug- und Zeitschriften zum Thema Konservatismus. Ferner finden sich Raritäten wie Plakate und Zeitungen der Revolutionsjahre von 1848, zahlreiche Publikationen zu Vereinen und Gruppen der konservativen Rechten aus den 1920er Jahren, Karikaturen und ein Fotoarchiv mit politischen Flugblättern seit 1848. Aber auch der Konservatismus der Nachkriegszeit wird mit einer Fülle von Werken deutscher wie österreichischer Autoren abgedeckt. Sammlungsbestände zur politischen Ideengeschichte, zu Staat und Philosophie, zu konservativen Denkern und Bewegungen in Frankreich, England, Italien und den USA sind ebenso enthalten wie Raritäten aus der Kriegs- und Besatzungszeit, die alliierte Umerziehungskonzepte für Deutschland belegen und die in anderen europäischen Bibliotheken so nicht vorliegen.

Erklärtes Ziel der Förderstiftung ist es, diese Spezialbibliothek der ganz besonderen Art zu bewahren und auszubauen, um Studenten, Wissenschaftlern und Journalisten nicht nur die Möglichkeit zu intensiver Forschung, sondern auch zu Begegnung und Austausch zu geben. Gelänge es, die Nutzer so gut zu vernetzen, daß die Bibliothek des Konservatismus Entstehungs- und Ausgangsort gesellschaftspolitischer Debatten und Projekte würde, wäre ein hohes Ziel erreicht.

Gekrönt wurde die Einweihung der Bibliothek mit der Vorstellung der  sorgfältig edierten und mit einer Einleitung von Karlheinz Weißmann versehenen Auswahl aus dem Werk Caspar von Schrenck-Notzings („Konservative Publizistik. Texte aus den Jahren 1961 bis 2008“). Mit dem pünktlich zur Einweihung ausgelieferten Buch umreißt die Stiftung FKBF ihr weltanschauliches Fundament. Sie würdigt mit dem Buch den Mann, der nicht nur an der Wiege von Stiftung und Bibliothek, sondern auch als einer der bedeutendsten konservativen Publizisten der Nachkriegszeit eine intellektuelle Schule maßgeblich geprägt hat.

Die gemeinnützige Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) wurde im Jahr 2000 von Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing († 2009) in München gegründet. Seine Zeitschrift Criticón galt lange Zeit als Kristallisationspunkt der konservativen Intelligenz in Deutschland. 2007 wurde JF-Chefredakteur Dieter Stein zum Vorsitzenden des Stiftungsrates gewählt. Die Stiftung vergibt einen nach Baltasar-Gracián (Stiftungs-Logo) benannten Kulturpreis und den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten.

Ein Informationsheft zur Bibliothek kann angefordert werden über: Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung, Postfach 31 05 08, 10635 Berlin, E-Post: buero-berlin@fkbf.de, FKBF-Spendenkonto: 21 25 27 50 04, BLZ 100 900 00, Berliner Volksbank

Caspar von Schrenck-Notzing: Konservative Publizistik. Texte aus den Jahren 1961 bis 2008, mit einer Einleitung von Karlheinz Weißmann, FKBF, 2011, gebunden, 480 Seiten, 35 Euro

www.fkbf.de  (dort wird auch zum Online-Katalog (OPAC) der Bibliothek verlinkt