© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Bundestagsbeschluß zu Organspenden
Das Leben wird vergesellschaftet
Mechthild Löhr

Wer ab Mitte nächsten Jahres Post von seiner Kranken-, pardon Gesundheitskasse, bekommt, sollte mental vorbereitet sein. Mehr als 60 Millionen Bürger über 18 Jahre kommen bald in den Genuß einer weiteren staatlichen Lebens- und Todesvorsorge. Überraschend erklärte vor wenigen Tagen eine Allparteienkoalition ihre Einigung auf einen Gruppenantrag zur Organspende. Künftig soll „regelmäßig und mit Nachdruck, noch ohne eine Antwort zu erzwingen oder Sanktionen auszuüben“, beim Versand neuer Versicherungskarten erfragt werden, ob wir endlich bereit sind, unsere Organe zur Verfügung zu stellen.

Daß wir immerhin noch zustimmen müssen, wird schon als kleiner bürgerlicher Erfolg gewertet. Bald also bekommt der Staat ein Register seiner Bürger, die ihre Organe – sicher aus ehrenwerten Motiven, – vergesellschaften lassen. Schon jetzt gebe es 12.000 Empfänger, die auf neue Organe warteten. Diese Zahl ist allerdings genauso unüberprüfbar wie die Behauptung, daß bereits 25 Prozent (also über 15 Millionen Deutsche) einen Spenderausweis führten. Unterdessen regt sich international Widerstand gegen die Hirntod-Definition mit medizinischen, ethischen und rechtlichen Argumenten.

Denn nur von Lebenden können die geforderten Organe aussichtsreich entnommen werden. Wann aber tritt der Hirntod ein? Ist ein noch atmender Mensch tatsächlich als Toter behandelbar? Oder ist diese Todesdefinition willkürlich? Jetzt wird der Pfad echter Freiwilligkeit einer (Lebend-)Spende verlassen und staatlicherseits ein moralischer Druck auf jeden Bürger ausgeübt, sich unfreiwillig mit dem persönlichen Lebensende zu befassen. Dies bedeutet einen massiven Eingriff in die persönliche Integrität, in das Selbstbestimmungsrecht.

Die Autorität, mit der der Staat hier Ansprüche anmeldet, birgt eine neue Qualität von Verstaatlichung, vor der wir zurückschrecken sollten. Formal als Freiwilligkeit getarnt, wird hier faktisch eine Art von Nötigung betrieben bei einer Frage von Leben und Tod. Wie fühlt sich ein alter oder psychisch wie physisch schwer erkrankter Mensch, wenn von offizieller Seite solche Post kommt? Heißt dies nicht leise: „Wir hoffen auf dein Ableben, denn dann kannst du noch Nutzen stiften?“ Der Staat maßt sich hiermit als neue moralische Instanz an, Bürger in Untertanen zu verwandeln.

 

Mechthild Löhr ist Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL).

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen