© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Zeitschriftenkritik: Philosophie Magazin
Gehobene Plauderei
Christian Vollradt

Die Philosophie ist auf den Hund gekommen. Daran sind nicht etwa Diogenes und die Kyniker schuld, sondern der inflationäre Gebrauch des Begriffs. „Philosophie“ ist heute eine Worthülse. Jede Pommes-Bude hat mittlerweile schon eine „Unternehmensphilosophie“, besteht diese auch bloß darin, daß das Fritteusenfett nur einmal im Monat gewechselt wird. Deswegen ist auch die Anrede „Sie Philosoph“, die unlängst einem Politiker entgegengeschleudert wurde, keineswegs hochachtungsvoll zu verstehen.

Skepsis ist daher angebracht, wenn eine Monatszeitschrift mit dem Titel Philosophie Magazin erscheint. Der Neuling auf dem deutschen Pressemarkt folgt einem französischen Vorbild desselben Verlegers (Fabrice Gerschel), das bereits seit über fünf Jahren mit einer verkauften Auflage von 52.000 Exemlaren etabliert ist. Das Titelthema „Warum haben wir Kinder? Auf der Suche nach guten Gründen“ zeugt nicht gerade vom Anspruch der Blattmacher, mal etwas ganz anderes, ganz neues auf die Tagesordnung zu setzen. Es folgt also eine Plauderei auf gehobenem Niveau, quasi eine Talkshow für Akademiker. Und gleich der Einleitungstext endet genaugenommen mit einer Aporie: „Kein Elternpaar ist in der Lage kurz gefaßt die Gründe für seine Wahl aufzuzählen“, also ob man Kinder bekommen will oder nicht. Im Prinzip sei die Entscheidung wegen der Mischung aus Rationalem und Irrationalem, im Widerstreit zwischen Hedonismus und „Opfergeist“ unvorhersehbar, dadurch eben eine freie Tat.

Im Interview ermuntert die französische Philosophin Élisabeth Badinter Mütter dazu, ruhig mittelmäßig zu sein, während ihr amerikanischer Kollege Michael Sandel – einst Mitglied der von George W. Bush einberufenen Ethikkommission – in einem Essay gegen die Rückkehr der Eugenik und das Streben nach dem perfekten Kind wettert. Ganz utilitaristisch nimmt sich Chefredakteur Wolfram Eilenberger (Cicero-Lesern als Autor vertraut) des Themas an und kommt zu dem Ergebnis, daß bewußte Kinderlosigkeit die Welt besser macht. Denn: „Jeder, der heute eigene Kinder zeugt und finanziert, anstatt mit den dafür notwendig anfallenden Kosten eine weitaus größere Anzahl von Menschenleben zu verbessern, verhält sich in hohem Maße unmoralisch.“

Der St. Gallener Philosophieprofessor Dieter Thomä klärt darüber auf, daß bei der Zerstörung des Patriarchats der Anteil der Französischen Revolution größer gewesen ist als der des Feminismus: „In diesem Zusammenhang spielt auch die Verstaatlichung der Erziehung eine Rolle. Die französischen Revolutionäre mißtrauten der Privatsphäre der Familie und ihren Eigeninteressen.“ Und zur Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf meint Thomä: „Was mich ärgert, ist, daß man nur von Doppelbelastung, nie aber von Doppelerfüllung spricht. Warum muß man die Verbindung von Kind und Arbeit immer gleich so miesepetrig auffassen, was letztlich nur dazu führt, daß hierzulande immer weniger Menschen überhaupt Kinder bekommen?“

Kontakt: Philomagazin Verlag, Rodenbergstraße 29, 10439 Berlin. Das Einzelheft kostet 5,90 Euro. www.philomag.de

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