© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Genialer PR-Mann
Der FC-Bayern-Fan und Hobbyschauspieler Helmut Markwort bricht gerne Tabus – jetzt wird er 75
Ronald Berthold

Menschen wie er werden gelegentlich Dinosaurier genannt. Weil sie mächtig sind und sich seit Urzeiten im Geschäft befinden. Auf Helmut Markwort trifft das zu. Mit einer Ausnahme: Einem Dinosaurier ist ein etwas festerer Händedruck zuzutrauen. Der Mann, der am 8. Dezember 75 Jahre alt wird und eine der prägendsten Gestalten der deutschen Medienlandschaft ist, zeigt zwei Gesichter; das harte journalistische und das sanftmütige Künstlerische. Letzteres findet in seiner weichen Stimme und eben in seinem Handschlag seinen Ausdruck.

Der Focus-Gründer ist mit Leib und Seele Journalist. Aber seine Leidenschaft gehört auch dem Schauspiel. Noch heute steht er in seiner Heimatstadt Darmstadt ab und zu auf der Bühne. Von der künstlerischen Ader wollte er nie ganz lassen. In der Sexkomödie „Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg“ mimte er 1968 einen Taxifahrer. An seiner Seite spielten Hans Clarin, Gila von Weitershausen und Dieter Augustin. Zu dieser Zeit war der damals 31jährige bereits Chefredakteur von Bild + Funk.

2003 folgte die Nebenrolle in „Anatomie 2“ mit Heike Makatsch sowie Franka Potente und 2008 der Part in Til Schweigers mit deutscher Starbesetzung gedrehtem „1½ Ritter“. Markwort empfindet am Filmset und auf der Bühne tiefe Entspannung. Die braucht er auch. Denn als Journalist ist er ein Workaholic, der stets bis tief in die Nacht arbeitet.

Die Mannschaft des von ihm von 1993 bis 2010 geführten und bis heute als Herausgeber betreuten Nachrichtenmagazins Focus konnte davon ein Lied singen. Denn das Wochenende durften die Redakteure immer erst dann genießen, wenn Markwort am Freitag, also am Redaktionsschluß, die Texte freigegeben hatte. Und das konnte dauern. Sein „Tagebuch“, das Editorial des Burda-Magazins, schrieb er stets auf den allerletzten Drücker – in der Nacht zu Sonnabend. Es konnte sein, daß er dann von einem seiner Angestellten noch ein Detail zu einem Ereignis der Woche erfahren wollte. Und wehe, der Kollege war dann nicht mehr erreichbar. Dann konnte der ruhige und im Ton meist freundliche Markwort auch mal aus der Haut fahren.

Mit dem Focus gelang ihm der größte Erfolg in der jüngeren deutschen Mediengeschichte. Und er durchbrach damit das linke Monopol der Magazine Spiegel und Stern, für den er in den 1960er Jahren das Düsseldorfer Korrespondentenbüro leitete. Das „moderne Nachrichtenmagazin“, wie er sein Blatt im Untertitel und in direkter Attacke auf den Spiegel damals nannte, hatte Markwort in monatelangen Gesprächen mit Verleger Hubert Burda entwickelt. Die beiden sind darüber beste Freunde geworden. Focus wurde zum Supererfolg. Die Auflage stieg jahrelang, in der Zahl der Leser konnte das Magazin jahrelang mit dem Konkurrenzblatt Spiegel mithalten.

Die Anzeigenkunden prügelten sich um einen Platz im Magazin. Nicht immer konnte die Nachfrage bedient werden. Mit fast 400 Seiten gelangte das Heft um die Jahrtausendwende an seine Kapazitätsgrenze. Mehr konnte die Druckerei technisch nicht klammern. Der Focus entwickelte sich zu Burdas Gelddruckmaschine. Der Zeitschriftenzar verlieh seinem Freund den inoffiziellen Titel „Erster Journalist des Hauses“.

Und wer Markwort kennt, weiß, daß er die daraus erwachsene Verantwortung auch wahrnimmt. Er regierte fortan auch in andere Burda-Publikationen hinein. Seit 1996 ist er mit Patricia Riekel liiert. Die Journalistin übernahm ein Jahr später die Chefredaktion des Burda-People-Magazins Bunte. Daß dies kein Zufall, sondern der Liaison mit Markwort geschuldet war, pfiffen seinerzeit die Münchner Spatzen vom Dach der Frauenkirche. Doch Markwort sollte auch hiermit Erfolg haben. Die Bunte wurde frecher, besser und erfolgreicher. Die heute 62jährige Riekel führt das Blatt immer noch.

Markwort, der 1959 seine journalistische Laufbahn als Lokalredakteur beim General-Anzeiger der Stadt Wuppertal startete und schon ein Jahr später das erste Mal Lokalchef wurde, nämlich beim 8 Uhr-Blatt in Nürnberg, erkannte Anfang der neunziger Jahre, daß rechts der Mitte das Vakuum am Kiosk immer größer wurde. Der von ihm als „Info-Elite“ bezeichneten Leserschaft wurde der linke Spiegel zu selbstgefällig.

Eine Konkurrenz, die nicht einmal Axel Springer gewagt hatte, mußte her. Der Widerstand war gewaltig. Das Graffito „Deutschland braucht kein zweites Nachrichtenmagazin“ symbolisierte die Ablehnung des selbsternannten Meinungskartells. Ob dies vielleicht eine Idee des genialen PR-Manns Helmut Markwort war, blieb ungeklärt. Sein „Fakten, Fakten, Fakten“ wurde immerhin zum geflügelten Wort in Deutschland.

Mit Titelgeschichten wie „Ausländerkriminalität“ brach er schon in den Anfangsjahren ein Tabu nach dem anderen. Es hagelte zwar Kritik aus dem linken Milieu, aber es gelang nicht, Markwort in die rechte Ecke zu stellen. Das FDP-Mitglied wurde immer mutiger. Zweimal unterstützte er Solidaritätsappelle für die JUNGE FREIHEIT – erstmals als dieser Zeitung aus politischen Gründen das Geschäftskonto bei der Postbank gekündigt werden sollte. Und zum zweiten Mal, als der JF ein Stand auf der Leipziger Buchmesse gekündigt wurde. Beide Male schlossen sich Hunderte, darunter viele Prominente, mit ihrer Unterschrift dem Focus-Chef an. Und beide Male hatten die Appelle Erfolg.

Markwort geht es dabei nicht nur um die Meinungsfreiheit. Er ist ein Konservativer. Bei der ZDF-Suche nach dem wichtigsten Deutschen 2003 trat er als Pate Otto von Bismarcks auf. Und über den NRW-Verfassungsschutz, der die JF unter den Verdacht „rechtsextremistischer Bestrebungen“ stellte, schrieb er einmal, daß dort sowieso alles beobachtet werde, was sich rechts der SPD tummele.

Genauso leidenschaftlich betrachtet Markwort den Fußball. Er ist nicht nur Fan von Bayern München, sondern sitzt dort auch im Verwaltungsbeirat. In der Allianz-Arena hat er seinen Platz in der Loge unmittelbar unter Uli Hoeneß und Karl-Heinz-Rummenigge. Aber gerade wenn es um Fußball geht, kann der sonst so sanftmütige Dinosaurier auch mit 75 noch zum Tyrannosaurus werden. Daß man Anhänger von 1860 München ist, verschweigt man ihm gegenüber besser.

Foto: Erfolgsgeschichte: Helmut Markwort hat mit Focus das Unmögliche wahr gemacht – ein zweites deutsches Nachrichtenmagazin

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