© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/11 / 02. Dezember 2011

Totenkult im Wandel: Verteidigung des Friedhofszwangs
Das Öffentliche behaupten
(jr)

Bis ins 20. Jahrhundert stand der Glaube an die leibliche Auferstehung der von „Freidenkern“ propagierten Feuerbestattung übermächtig entgegen. Nur im Bereich der evangelischen Coburger Landeskirche, die 1907 die Feuerbestattung einführte, war das anders, so daß diese Region heute mit achtzig Prozent Einäscherung bundesweit eine Spitzenstellung behauptet. In Coburg kündigten sich früh die „tektonischen Verschiebungen“ der Bestattungskultur an, mit denen sich die EKD angesichts der „Pluralisierung und Individualisierung der Lebenswelten“ derzeit abzufinden beginnt (zeitzeichen, 11-2011). Da eine bestimmte Begräbnisform nicht zwingend aus Bibel und christlichem Menschenbild abzuleiten ist, öffnet sich Luthers Kirche zunehmend modischen Alternativen wie den „Friedwäldern“ (JF 46/11), während den katholischen Christen zwar die Beibehaltung der „frommen Gewohnheit“ einer Beerdigung empfohlen wird, die römische Kirche aber zugleich mit der „Urnenkirche“ moderne Bestattungsformen offeriert. Dagegen beharrt der Zeitzeichen-Redakteur Jürgen Wandel wohl vergeblich auf dem hergebrachten Friedhofszwang, um nicht auch dieses Öffentliche, das allein nachhaltig Tote wie Lebende schütze, in einer zerfallenden Gesellschaft dem Privaten preiszugeben.

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