© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Lobpreisung für die Pioniere des Krautrocks
Ausstellung I: Künstlerische Reverenzen an die avantgardistische Kölner Musikgruppe CAN
Christian Dorn

Die Frage, was der Prophet im eigenen Land gilt, ist – obgleich rhetorische Standardfloskel – immer wieder aktuell. In besonderer Weise gilt das Diktum für die Kölner Sound-Pioniere von CAN. Der kurze, rätselhafte und zugleich polyvalente Bandname steht bis heute für eine Formation, die – mit deutscher Wurzel und internationaler Besetzung – am Ende der 1960er Jahre zu einem der störrischsten wie stilprägendsten Phänomene der Rockavantgarde wurde. Ging es doch den Protagonisten der „Kraut-rock“-Szene nicht zuletzt darum, die Rockmusik neu zu erfinden.

Die Resonanz darauf war freilich in Frankreich und Großbritannien ungleich größer als in der Heimat. Dies zeigte sich nochmals ein Jahrzehnt später, als CAN zu den wichtigsten Einflüssen des Post-Punk zählten, etwa bei Siouxsie Sioux, die von der rituellen Kraft von CAN schwärmte, oder bei Mark E. Smith von The Fall, die auf der ersten EP mit dem Stück „Repetition“ das Moment der Wiederholung priesen.

Dabei blieb der psychedelische und hypnotische Aspekt der mäandernden, mantraartigen Musik nicht ohne Wirkung auf die Politik. Als 1973 Suzi Quatro mit der Hardrock-Nummer „Can the can“ reüssiert, steckt die deutsche Polizei den japanischen CAN-„Sänger“ Damo Suzuki wegen fehlender Aufenthaltsgenehmigung in Abschiebehaft. Die Ausweisung wird verhindert, da der Journalist Werner Höfer auf Bitte der Band ein Fax an den späteren Bundespräsidenten Walter Scheel schickt mit der Aufforderung, sich für Suzuki einzusetzen, weil CAN ohne ihn nicht weiterarbeiten könne, CAN gehöre schließlich „zum besonders schützenswerten Kernbereich des deutschen Kulturerbes!“

Entscheidenden Anteil an dieser Wirkungsgeschichte hatte das prägende CAN-Album „Tago Mago“ (1971), zu dessen vierzigjährigem Jubiläum Christoph Tannert, Leiter des Berliner Künstlerhauses Bethanien, eine Ausstellung mit über fünfzig internationalen Künstlern kuratiert hat. Der titelgebende CAN-Song „Halleluhwah“ ist dabei nicht zufällig, verweisen doch dessen loopähnlicher Verlauf und dessen Verdichtung auf die heute aktuellen Entwicklungen in Techno- und Electro-Musik. Zugleich huldigt der Titel der grenzüberschreitenden Lobpreisung. Sollte doch „Musik“, so der CAN-Bassist Holger Czukay – wie der Pianist und Dirigent Irmin Schmidt ein Stockhausen-Schüler –, „nur von Maschinen oder Göttern gemacht sein“.

Dem hier anklingenden synästhetischen Prinzip entsprechen die künstlerischen Arbeiten: Bilder, Skulpturen und tonale Kommentare. So versucht Norbert Biskys Bild „Aumgn“ das „Klangchamäleon“ des gleichnamigen CAN-Titels in eine vulkanische Farb-Eruption zu transformieren. Sven Drühls Gitarren-Trümmer „pfählen“ den klassischen Rock’n’Roll, der in CANs Neuentwurf zu einem Soundgeflecht von Free Jazz, Rock und elektronischer Musik mutierte. Die Australier Danius Kesminas und Greg Richards verfremden in „CANstaat“ das DDR-Emblem, indem sie Hammer und Zirkel durch Banane und Dosenöffner ersetzen. Da alles nurmehr Zitat scheint, verwundert auch nicht der Titel des von Daniel Richter beigesteuerten Bildes mit dem Titel „Can the can“.

Die Ausstellung „Halleluhwah! Hommage à CAN“ ist noch bis zum 18. Dezember im Berliner Künstlerhaus Bethanien, Kohlfurter Straße 41/43, täglich außer montags von 14 bis 19 Uhr zu sehen. Telefon: 030/ 61 69 03-0. Der Katalog mit 168 Seiten inklusive einer CD kostet 26 Euro.

www.bethanien.de

Foto: Sven Drühl, CAN (Undead), zersägte Stratocaster-Gitarren, Ölfarbe, 2011

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen