© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Lockerungsübungen
Wissenschaft muß sich rechnen
Karl Heinzen

In einem Fachgespräch im Forschungsausschuß des Deutschen Bundestages haben Sachverständige die Arbeitssituation von wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen und außeruniversitären Instituten beleuchtet. Sie sei, so das Urteil der Experten, aufgrund der zahlreichen befristeten Verträge als unsicher zu bezeichnen. Die Kürzung der institutionellen Förderung bei gleichzeitiger Vorgabe, zur Kompensation verstärkt Drittmittel einzuwerben, lasse kaum Spielräume, unbefristete Stellen zu schaffen. So sei es heute keine Seltenheit, daß auf eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle vier Doktoranden gesetzt würden. Insgesamt müsse im Hochschulwesen eine Schieflage konstatiert werden, da die Zahl der Studierenden markant gewachsen, jene der Professoren jedoch unverändert geblieben sei. Die Befristung so vieler Stellen habe negative Auswirkungen auch auf die Qualität von Forschung und Lehre.

Da es als ausgemacht gilt, daß einzig eine Wissensgesellschaft zukunftsfähig ist und der Erfolg unserer Wirtschaft von ihrer technologischen Innovationsfähigkeit abhängt, mag diese Zustandsbeschreibung auf den ersten Blick beunruhigen. Die Bedeutung der Wissenschaft für unser Land zu betonen und zugleich jenen Sicherheit und monetäre Anerkennung zu verweigern, die sie betreiben sollen, ist aber keineswegs paradox. Es ist nämlich der Gefahr zu wehren, daß der hochqualifizierte wissenschaftliche Nachwuchs sich als Schlüsselressource für Wachstum und Wohlstand begreift und daraus maßlose Ansprüche ableitet. Darin müßte er sich bestärkt fühlen, würde man ihm alle Wege ebnen und ihn frühzeitig materiell auf Rosen betten. Disziplinieren läßt er sich nur, wenn man ihm so lange wie möglich das Gefühl existentieller Unsicherheit vermittelt und seine Gehaltserwartungen im Zaum hält.

Dabei ist in Kauf zu nehmen, daß manche Nachwuchskräfte aufgeben und Humankapital verlorengeht. Dies zu beklagen, hieße, einen übergeordneten Standpunkt einzunehmen, den es in einer Marktwirtschaft nicht geben kann. In einer solchen ergibt sich die Bedeutung der Wissenschaft aus der Rendite, die Investoren durch sie erzielen. Diese Rendite bestimmt sich nicht nur aus den Zukunftserlösen neuer Technologien. Sie ist um so kleiner, je höher die Kosten des Humankapitals sind, das zu ihrer Entwicklung benötigt wird.

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