© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Provokationen und Psychosen
Der Medizinhistoriker Armin Geus interpretiert den Werdegang des islamischen Propheten Mohammed als Krankengeschichte
Gabriel Burho

W as wäre, wenn der islamische Prophet Mohammed (korrekt wäre eigentlich Muhammad) an einer geistigen Störung gelitten hätte? Welche Auswirkungen hätte das auf die Religion, die er gestiftet hat und auf die 1,1 Milliarden Muslime, die sich heute auf ihn als „schönes Beispiel“ (Sure 33:21) für alle Lebenslagen berufen? Dieser Frage widmet sich das 2011 erschienene Buch „Die Krankheit des Propheten“ des Marburger Medizinhistorikers Armin Geus. Nun ist der Topos, Mohammed Geisteskrankheit zu unterstellen, so alt wie die Auseinandersetzung mit der islamischen Religion. Bereits der byzantinische Chronist Theophanus Confessor sah im 8. Jahrhundert Anzeichen einer Epilepsie und in der Folge zog sich dieser Vorwurf wie ein roter Faden durch christliche, antiislamische Traktate.

Geus’ Buch ist allerdings eine Islamkritik aus einem atheistischen, ja teilweise religionsfeindlichen Blickwinkel. Da er richtig erkennt, daß die Zweifel an den prophetischen Erlebnissen eines Propheten leicht auf alle anderen übertragen werden können, beginnt er auch mit einer moralisch-ethischen Monotheismuskritik („Das Elend des Monotheismus“), die er vor allem an die Thesen Jan Assmanns („Monotheismus und die Sprache der Gewalt“) sowie an David Humes Religionskritik anlehnt. Hier geht es ihm darum, den unglaubwürdigen Charakter religiöser Offenbarungen im allgemeinen darzustellen. Entsprechend können für ihn Prophetien allgemein als „auffällige Persönlichkeitsstörungen“ betrachtet werden – ja, seien von den Zeitgenossen auch als solche angesehen worden. Dabei orientiert sich Geus an den Arbeiten von Jaspers und Jacobi zu biblischen Propheten.

Geus‘ sowie seine Vorgänger behandeln religiöse Texte wie die Aussagen eines Patienten und verkennen dabei vollständig den Charakter ihrer Quelle. Dem Text geht es nicht darum, einen möglichst genauen Bericht der Vorstellungs- und Gefühlswelt eines Propheten zu liefern – möglicherweise haben die Schreiber die Propheten nie gekannt –, sondern eine Botschaft zu vermitteln. So ist die „sexuelle Sprache“, die er als Zeichen einer Schizophrenie deutet, in erster Linie dazu gedacht, die Wut auszudrücken, die der Prophet über die Verfehlungen der Gemeinde empfindet, und die Beschreibung der Kritiker, welche den jeweiligen Propheten als Lügner, Scharlatan oder Verrückten bezeichnen, belegt nicht einen historischen Diskurs jener Zeit, sondern soll den Unglauben der Gemeinde charakterisieren.

Ausgehend von dieser Betrachtung der biblischen Propheten wendet er sich nun Mohammed zu und stellt fest, der Koran sei aus „medizinhistorischer Sicht [...] die Chronik einer Krankengeschichte“, wobei der charakteristische Unterschied zwischen dem islamischen und den biblischen Propheten im Ausmaß ihres Machtanspruches liege. Hätten sich die biblischen Propheten nur als Mahner und Warner verstanden, so zeige sich Mohammeds Psychose vor allem im Anspruch, als letzter Prophet die einzige Rettung für die Menschheit zu bringen.

Den Kern seiner Analyse des Geisteszustands Mohammeds bildet dabei der Koran, bei dessen Betrachtung er aus einem rationalistischen Blickwinkel zu dem Schluß kommt, daß die inhärenten Widersprüche der Lehre (Willensfreiheit versus Determinismus) deutliche Zeichen der Schizophrenie des Verfassers darstellten. Auch in der ausführlichen Darstellung der Höllenstrafen erkennt Geus „Phantasien eines geisteskranken Sadisten“ und offenbart dabei wieder fehlendes Verständnis für den Textcharakter. Erschwert wird diese Analyse durch seine Unkenntnis der arabischen Sprache und die Beschränkung auf eine deutsche Koranübersetzung. Offensichtlich im Bewußtsein, daß seine mangelnde fachliche Qualifikation einen weiteren Schwachpunkt seiner These bildet, konstatiert er, daß die Übersetzung des Koran wohl kein Problem darstellen könne und beweist somit sein Unverständnis für philologische Probleme. Möglicherweise lassen sich naturwissenschaftliche Befunde recht einfach in andere Sprachen übertragen, für theologisch-philosophische Konzepte gilt dies definitiv nicht.

Überhaupt stellen Fachwissenschaftler für ihn keine Quellen dar, da ihnen die „gebotene Distanz zum Forschungsgegenstand“ fehle, eine Distanz, die Geus, wie deutlich wird, selbst leider vermissen läßt. Die einzige Ausnahme bildet hier der Islamwissenschaftler Tilman Nagel, dem er aber auch vorwirft, nicht darauf hinzuweisen, daß die einzelnen Suren als pathologisches Material zu untersuchen seien, womit Geus kaschiert, daß für seine Arbeit kein ernstzunehmendes Forschungsdesiderat vorliegt.

Was die eigene Disziplin angeht ist Geus allerdings mehr auf fachliche Qualifikation bedacht und kritisiert die Thesen Ali Sinas – Mohammed habe unter einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung gelitten – in erster Linie aufgrund des Umstandes, daß Sina kein Mediziner sei. Wie im letzten Kapitel – in dem er sich gänzlich von seinem medizinischen Fachgebiet entfernt und sich an einer Korananalyse versucht – deutlich wird, ist der eigentliche Zweck seiner Arbeit auch nicht eine objektive wissenschaftliche These, sondern eine Warnung vor den Gefahren des Islam und das „Durchbrechen der Phalanx der organisierten Gutmenschen“.

Sein Sprachduktus, die kritiklose Aneinanderreihung verschiedener Themen der Islamkritik (Pädophilievorwurf, Gewaltsame Verbreitung des Islam, Unterdrückung der Frau usw.) sowie seine Beschreibung der Halal-Schlachtung als „das brutale Gemetzel türkischer Familienväter und ihrer halbwüchsigen Söhne, an dem sie sich alljährlich berauschen“, oder des muslimischen Gebets als „das provozierende Ritual“, das Muslime „unbekümmert in aller Öffentlichkeit“ ausübten, belegen seine eigentliche Intention und diskreditieren das Buch als unsachliche Propagandaschrift. Dies ist indes sehr schade.

Armin Geus beweist – und das muß wegen wiederholter intoleranter Angriffe gegen Islamkritiker herausgestellt werden – Mut, indem er Mohammed in dieser Art und Weise angreift. Leider erweist seine naiv-naturwissenschaftliche Herangehensweise an so schwierige philosophisch-theologische Fragen wie das Theodizeeproblem der Sache einer dringend notwendigen, sachlich geführten gesellschaftlichen Diskussion um die Ideologien des politischen Islam sowie den damit verbundenen Gefahren für westliche liberale Gesellschaften einen Bärendienst.

Armin Geus: Die Krankheit des Propheten. Ein pathographischer Essay.Basilisken-Presse im Verlag Natur & Text, Rangsdorf 2011, gebunden, 220 Seiten, 36 Euro

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