© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/11 / 09. Dezember 2011

Eisige Kathedrale
Die Gemeinde Mitterfirmiansreut läßt nach hundert Jahren ihre Schneekirche wiederauferstehen – alles hängt vom Wetter ab
Petra Knoll

Ein Dorf im Bayerischen Wald will eine Kirche ganz aus Schnee errichten – wie schon einmal vor hundert Jahren. Am 17. Dezember soll das 26 Meter lange Gotteshaus feierlich eröffnet werden, wenn Väterchen Frost mitspielt. Dafür müsse es zwei Wochen lang Minustemperaturen im Dorf Mitterfirmiansreut haben, auch tagsüber, erklärt Alexandra Kolbeck, Sprecherin des Fördervereins der Schneekirche. Eigentlich sei das hier eine rauhe Gegend, am Rand des Almbergs mit seinen 1.139 Metern Höhe.

Entscheidend für den Kirchbau sei jedoch nicht der Schneefall, sondern die Temperatur, weil mit einer Kunstschneekanone das Sakralgebäude Schicht um Schicht wachsen solle. Zwanzig Zentimeter Schneefall würden ausreichen. Natürlicher Schnee werde nur zur Beimischung gebraucht, da Pappschnee und Pulverschnee sehr unterschiedlich auf die Stabilität von Mauern wirke. Dagegen habe Kunstschnee konstante Eigenschaften, so Kolbeck.

Geplant ist eine schlichte Innenausstattung – ein Altar, ein paar Skulpturen und Bänke zum Knieen. Sitzbänke wird es dagegen nicht geben. Ob Hochzeiten und Taufen gefeiert werden, muß der Passauer Bischof Wilhelm Schraml noch entscheiden. Maximal 200 Gläubige kann die Kirche aufnehmen, allerdings maximal eine Stunde, sonst bringt die menschliche Wärme das Gotteshaus zum Schmelzen.

Wie laufen die Bauarbeiten ab? Eine Holzkonstruktion für den 17 Meter hohen Kirchturm steht bereits. Die Verschalung ist mit Schnee zu füllen und wird erst abmontiert, wenn Schnee und Eis genügend Eigenstabilität entfalten. Das 26 Meter lange und sechs Meter hohe Kirchenschiff wird mit elipsenförmigen Metallformen gebaut, die nach der zweiwöchigen Bauzeit zu entfernen sind. Dann muß die futuristisch wirkende Kirche alleine stehen. Das jetzige Bauprojekt soll an die Schneekirche vor hundert Jahren erinnern. Damals gab es im 200-Seelen-Dorf Mitterfirmiansreut keine Kirche.

Die Gläubigen mußten einen fünf Kilometer langen Fußweg zur Pfarrei Mauth bewältigen, im tiefen Schnee über Hügel, mit schlechtem Schuhwerk und schweren Kleidern. Am 24. Dezember 1910 schneite es im Bayerischen Wald so stark, daß die Dorfbewohner nicht einmal die Christmette besuchen konnten.

Aus Protest bauten sie ein Kirchlein aus Schnee, 14 Meter lang, sieben Meter breit und fast vier Meter hoch. Nach dem Vorbild des Passauer Doms wurden zwei Türme errichtet.

Am 28. März 1911 war die Kirche fertig, eine Fotoaufnahme davon erschien sogar in einer US-amerikanischen Illustrierten. Bis zum Mai 1911 stand die Kirche, dann zerschmolz sie in der Frühlingssonne. Der Protest des Bergdorfes hatte Erfolg. Spenden für den Bau einer richtigen Kirche gingen ein. 1923 entstand eine kleine Kapelle, die 1932 zur heutigen Kirche erweitert wurde.

In der neuen Schneekirche im Länderdreieck Bayern-Österreich-Tschechien sind neben Gottesdiensten auch Konzerte und Künstlerwerkstätten vorgesehen. So können Kinder am 24. Dezember lernen, wie sie ihre eigene Krippe aus Schnee formen. Am 28. Dezember geht es dann um „Schneeengel“ und andere „glitzernde Wesen“. Historische Fackel- und Schneeschuhwanderungen stehen außerdem auf dem Plan.

Die Schneekirche ist für den Skiort Mitterfirmiansreut natürlich auch eine touristische Vermarktungsaktion, die nicht nur von Privatgeldern getragen wird. Der Europäische Regionalfonds engagiert sich genauso wie die Bayrischen Staatsforsten und die Gemeinde Kuschwarda in der heutigen Tschechei. Wie nachhaltig diese Steuergelder angelegt sind, hängt auch vom Wetter ab.

www.schneekirche.de

Foto: Futuristisches Design: Die Kirche soll an eine Schneewehe erinnern und wurde von den „koeberl doeringer architekten“ aus Passau entworfen

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen