© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Demonstrationen in Rußland
Ohne Instinkt
Thomas Fasbender

In seinen Amtszeiten als russischer Präsident hatte Wladimir Putin es verstanden, über den Parteien schwebend alle Kräfte der Gesellschaft, – die „Falken“, die „Tauben“ und auch die Oligarchen – im Gleichgewicht zu halten. Recht und Ordnung auf der einen, wirtschaftliche und politische Reformen auf der anderen Seite, das gab den Jahren nach 2000 ihre weithin geachtete Stabilität.

Nach 2008 hat Putin offensichtlich Instinkt und Weitsicht eingebüßt. Ob ihm das Dasein als Tandem mit dem schwachen Dimitri Medwedew den Blick getrübt hat? Er hätte spüren müssen, mit welchem Tempo die russische Machtelite in den letzten Jahren an Legitimation verlor. Gerade die „gelenkte Demokratie“ lebt von der Zustimmung der Mehrheit, egal ob sie unpolitisch ist oder schweigt. Das ist wie beim Autofahren: Wenn der Motor nicht mehr läuft, hilft auch kein Lenken. Gelingt Putin im März die Rochade retour in den Kreml? Schafft er den vieldiskutierten „Putin 2.0“?

Bei den Wahlen wird es ernstzunehmende Wahlbeobachter geben und ernstzunehmende Gegenkandidaten. Volk und Elite wollen beide Stabilität. Das Volk verlangt zudem nach mehr Achtung und Gerechtigkeit. Und es will faire Wahlen. Wenn Putin das alles nicht glaubhaft verkörpert, ist er rascher Geschichte, als wir uns das heute vorstellen können.

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