© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Erbittert geführte Richtungsdebatte
Bundesparteitag: René Stadtkewitz’ islamkritische Partei „Die Freiheit“ steuert einer ungewissen Zukunft entgegen
Hinrich Rohbohm

Ganz fest umarmt René Stadtkewitz seine Frau. Erleichterung. Eine große Last scheint von ihm abgefallen zu sein. Soeben wurde der 46jährige als Bundesvorsitzender der Partei „Die Freiheit“ wiedergewählt. Mit 95 zu 57 Stimmen hatte er sich gegen seinen Herausforderer, den bayerischen Landesvorsitzenden Christian Jung, durchgesetzt.

Noch wenige Minuten zuvor war Stadtkewitz die Anspannung deutlich anzumerken. „Ich weiß nicht, wie das hier ausgeht, vielleicht ist der Ärger so groß, daß es für mich nicht reicht“, sagt er der JUNGEN FREIHEIT während der Stimmenauszählung. Und Ärger hatte es am vergangenen Wochenende auf dem Bundesparteitag der Freiheit in Frankfurt am Main reichlich gegeben. Besonders aus den Landesverbänden von Bayern und Nordrhein-Westfalen hagelte Kritik auf den Parteigründer ein. „Führungsschwäche“ werfen ihm seine Gegner vor.

In den vergangenen Tagen und Wochen war im Internet ein handfester Streit innerhalb der im September 2009 gegründeten Partei ausgebrochen. Im Fokus des Konflikts: Der Islamkritiker Michael Stürzenberger, dessen im Netz verbreitete und mit der Partei nicht abgestimmtes Anti-Islam-Thesenpapier für Aufregung sorgte. „Teuflische Thesen“ seien das, hatte Marco Pino entgegnet. Gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Andreas Pokladek hatte der Hesse ein Gegenpapier verfaßt, das ebenfalls in die Kritik geriet. Pikant: Pino wurde auf dem Parteitag neben dem Berliner Marc Doll und der ebenfalls aus Hessen kommenden Andrea Falkenstein zu einem der drei Stellvertreter von Stadtkewitz gewählt. Falkenstein war zeitweise ebenfalls als Kandidatin für den Parteivorsitz im Gespräch, verzichtete jedoch. „Ich wollte mit meiner Kandidatur nur jemanden wachrütteln und das scheint gelungen zu sein“, erklärte sie den Delegierten ihren Rückzieher. Stadtkewitz habe sich bei dem Streit zu zögerlich verhalten. „Ein Vorsitzender muß da einfach härter durchgreifen“, meinte ein Delegierter. Auf dem Parteitag räumt Stadtkewitz, der im September den Einzug in das Berliner Angeordnetenhaus deutlich verfehlt hatte, eigene Fehler ein, stellt sich aber klar hinter Stürzenberger und greift dessen Gegner in seiner Rede an. „Das, was du gemacht hast, ist Nestbeschmutzung“, attackiert er Andreas Pokladek. Und legt Bezug nehmend auf das Gegenpapier nach. „Das liest sich wie ein CDU-Programm 2.0, das will ich nicht, deswegen bin ich aus der CDU ausgetreten.“

In einigen Landesverbänden sei es gar soweit gekommen, daß die Meinungsfreiheit beschnitten werde, „Christen und Leute aus islamkritischen Verbänden“ würden dort ausgegrenzt. „Solche Nestbeschmutzer gehören für mich nicht in diese Partei, schon gar nicht als stellvertretender Bundesvorsitzender“, springt ein Delegierter Stadtkewitz zur Seite.

Pokladek widerspricht. Eine CDU oder FDP 2.0 wolle keiner. Er frage sich jedoch, wie es um die innerparteiliche Demokratie bei der Freiheit bestellt sei. Der Bundesvorstand habe die Basis weitgehend allein gelassen. Bei nicht wenigen Delegierten macht inzwischen das Wort der „Obrigkeitspartei“ die Runde. „Ihr redet immer über Meinungsfreiheit, dann aber hättet ihr auch NPD, Pro-Bewegung und Republikaner nicht ausgrenzen dürfen“, kritisiert Pino den Bundesvorstand.

Dreieinhalb Stunden dauert die chaotische Aussprache vor Beginn des Parteitags. Und auch auf dem Parteitag selbst läuft es alles andere als souverän. „Sind wir hier denn beim Taubenzüchterverein, oder was“, ruft ein genervter Delegierter in den Saal. Es kommt zu einer erbittert geführten Richtungsdebatte. Tatsächlich könnte die Partei, die 2012 bei der Wahl in Schleswig-Holstein antreten will, in ein Fahrwasser geraten, in das sie eigentlich gar nicht wollte. So gehören der Freiheit inzwischen neben einem ehemaligen DKP-Mitglied auch zahlreiche einstige SPD-Anhänger an. Ein früheres Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und der „Bunten Liste“ Hamburg kandidierte für den Vorstand. „Bei der Islamkritik sind wir uns in großer Mehrheit noch einig, aber wie sieht es bei anderen Themen aus?“ fragt ein Mitglied. „Ich bin schon froh, wenn wir erstmal unsere 2.100 Mitglieder halten können“, zeigt sich René Stadtkewitz am Ende realistisch.

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