© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/11 / 16. Dezember 2011

Außenpolitische Fingerübungen
Walter Post über Europa-Konzeptionen der NS-Zeit
Hans-Joachim von Leesen

Hitlers Europa“ nennt Walter Post sein umfangreiches Buch mit dem herausfordernden Untertitel „Die Europäische Wirtschaftgemeinschaft 1940–1945“. Sollte etwa Hitler bereits während des Krieges die Einigung Europas ernsthaft angestrebt haben? Haben die Väter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von Adenauer über Schuman bis de Gasperi von Hitler abgekupfert?

Tatsächlich ist Walter Post bei seinen Recherchen auf Pläne für einen nach Deutschlands Sieg zu schaffenden europäischen Staatenbund, eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft, eine „europäische Eidgenossenschaft“ und sogar eine „Europa-Charta“ gestoßen. Zunächst war es das 1942 erschienene Buch „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ mit zehn Beiträgen von Wirtschaftsprofessoren, führenden Wirtschaftsfunktionären, Außenamt, Arbeitsministerium und Wirtschaftsorganisationen, das offiziösen Charakter bekam durch den ersten der grundlegenden Artikel, der von dem amtierenden Reichswirtschaftsminister Walther Funk stammte.

Es mag erstaunen, daß darin sogar von der Zusammenarbeit von gleichberechtigten souveränen Staaten die Rede war. Es waren wohl die Notwendigkeiten, die zu solchen Überlegungen führten, wurde doch kritischen Beobachtern klar, daß es Deutschland allein schwerfallen würde, den Krieg zu gewinnen. So appellierte man an eine europäische Gemeinschaft und an deren gemeinsame Interessen. Spätestens im Jahr 1943, stellte Post fest, wurden in fast allen Reichsministerien Überlegungen für eine europäische Neuordnung nach dem Kriege angestellt, und in fast allen diesen Überlegungen ging es nicht um die deutsche Vorherrschaft.

Damit aber widersprachen sie Hitlers Vorstellungen. Hitler hielt von dergleichen Konstruktionen nichts. Und so waren denn die Pläne letztlich nichts als Fingerübungen. Hitlers Europa war es aber keineswegs, das sich in diesen Plänen und Visionen spiegelte. Das Buch bietet umfangreiches Material über die Wirtschaft während des Zweiten Weltkrieges, speziell über die Rüstungswirtschaft, aber auch über Rohstoff- und Energiewirtschaft, ausländische Arbeitskräfte und landwirtschaftliche Produktion.

Walter Post: Hitlers Europa. Die europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1940 –1945. Druffel & Vowinckel-Verlag, Stegen 2011, gebunden, 496 Seiten, Abbildungen, 34,80 Euro

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