© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Viel Tat, kein Rat
Euro-Rettung: Ein Jahr fruchtloser Bemühungen lassen Böses ahnen
Bernd-Thomas Ramb

Vor einem Jahr lautete die Devise des EU-Gipfels zur Euro-Rettung: Abwarten und Tee trinken. Damals war das Verhältnis zu Großbritannien wesentlich besser, und ein urenglisches Motto galt noch als politisch korrekt. Der Euro-Rettungsschirm, aus der aktuellen Notlage Griechenlands heraus hastig aufgespannt, wurde als Notlösung erklärt, der nur dann Unterschlupf böte, wenn sonst ganz Euro-Land gefährdet wäre. Vor allem galt vor einem Jahr: Der Rettungsschirm wird keinesfalls vergrößert. Weitreichendere Vorhaben, wie die vom Luxemburger Chef der Euro-Gruppe Juncker vorgeschlagenen gemeinsamen Euro-Fonds, sollten nicht mehr erwähnt und jeder Anschein einer Transfergemeinschaft künftig vermieden werden.

Soweit das Geschwätz von gestern, das schon der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Konrad Adenauer als politisches Mittel propagierte – mit dem Hinweis: Was kümmert es mich. Im Verlauf des Jahres hat sich ein Krisengipfel nach dem anderen bemüht, die zunehmenden Schwierigkeiten zur Absicherung der Schulden klammer Euro-Länder zu lösen. Das dauerproblematische Griechenland wurde zu immer unwürdigeren Selbsterklärungen gezwungen, wie sich dieser Staat denn um einen ausgeglichenen Haushalt bemühen werde. Offensichtlich handelten aber auch die griechischen Regierungen nach der Devise „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Papier ist geduldig, versprechen kann man viel, Hauptsache, die Unterstützungsgelder fließen.

Geradezu absurdes Theater war die Überprüfung der griechischen Reform-ansätze durch die Inspektoren der sogenannten Troika, bestehend aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Trotz ihrer pessimistischen Prognose wurde den Griechen eine weitere finanzielle Unterstützung gewährt. Die massiven Protestkundge-bungen der Bevölkerung und der scharfe Einbruch der griechischen Wirtschaft, all dies ignorierten die Euro-Retter. Statt dessen forderte der Euro-Verbund weitere Lippenbekenntnisse der griechischen Regierung ein. Nachdem der amtierende Ministerpräsident Papandreou in einem letzten Aufwallen von Selbstachtung die Zustimmung der Griechen per Referendum voraussetzte, wurde er kurzerhand durch einen willfährigen Statthalter ersetzt.

Ein weiterer Aktionismus der Euro-Retter, die Bankenbeteiligung an einem Schuldenschnitt der griechischen Altschulden, wurde dagegen stillschweigend aufgegeben. Dabei waren die Banken durchaus bereit, dieses für sie letztlich lukrative Angebot anzunehmen. Sie hätten zwar Wertverluste bei ihren Griechenlandpapieren hinnehmen müssen, aber weitaus weniger als bei einem Totalverlust im Falle einer vollständigen Griechenlandpleite. Die Rettungsspezialisten haben offensichtlich eingesehen, daß sie eine Binsenweisheit des Finanzmarktes nicht außer Kraft setzen können: Wer sich einmal als schlechter Schuldner erwiesen hat, dem leiht man kein Geld mehr.

Während sich die griechischen Rettungsbemühungen nach und nach in Luft auflösten, brach ein weiterer Krisenherd aus – die italienischen Staatsschulden. Italien belasten genauso hohe Staatsschulden wie Deutschland bei zwei Drittel der deutschen Wirtschaftskraft. Trotz dieser bedenklichen Ausgangslage war Italien jedoch nicht der Hauptverdächtige bei der Frage, welches Land nach Griechenland als nächstes pleite geht. Der Verdacht liegt nahe, daß den Euro-Rettern eher an der Auswechslung des unicheren Kantonisten Berlusconi durch einen gefügigeren italienischen Ministerpräsidenten gelegen war. Mit dem ehemaligen EU-Kommissar Monti haben die Euro-Retter zwar einen Sachverwalter, der Sparprogramme verkünden und sogar im Parlament durchsetzen kann, aber ähnlich wie sein griechischer EU-Statthalterkollege Papademos vor enormen Problemen bei der praktischen Durchsetzung stehen dürfte. Auch die Italiener können streiken und die Wirtschaft lähmen.

Das lautstarke öffentliche Schmierentheater der Euro-Rettung droht das verhängnisvolle Geschehen hinter den Kulissen zu verdecken – das eklatante Versagen der Europäischen Zentralbank (EZB), die 2011 den eigentlichen Niedergang des Euro eingeleitet hat. Das beginnt mit der personellen Erosion. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Vizepräsident der EZB und designierter Nachfolger des ausscheidenden Präsidenten Trichet, Axel Weber, erklärte seinen Rücktritt, weil er die unseriöse Geldpolitik der EZB nicht weiter zu tragen bereit war; genauso ein halbes Jahr später der Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark. Damit ist der deutsche Einfluß auf die EZB-Politik nachhaltig eliminiert.

Vollkommen unvereinbar mit seriöser Zentralbankpolitik waren die Aufkäufe maroder Staatsschuldentitel. Mittlerweile belasten diese die EZB-Bilanz mit mehr als 240 Milliarden Euro. Noch problematischer ist die 2011 ausgebrochene Unart, solvente Euro-Länder mit Überziehungskrediten zu belasten. Die Bundesbank gewährt mittlerweile 495 Milliarden Euro an sogenannten „Target2-Krediten“, deren Ausgleich in den Sternen steht. Gerade das eklatante Versagen der EZB läßt mehr noch als das hilflose Schuldenmanagement für die Zukunft des Euro eigentlich nur noch dessen Abwicklung erwarten.

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