© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/11-01/12 / 23./30. Dezember 2011

Geld vom Staat
Rechtsextremismus: Bei der Aufklärung der Taten der Zwickauer Terrorzelle gerät der Thüringer Verfassungsschutz immer mehr ins Zwielicht
Felix Krautkrämer

Die Stellungnahme des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz fiel am Montag kurz und knapp aus. Gerade mal drei Zeilen umfaßte die Erklärung, doch die wenigen Worte hatten es in sich. Die Behörde bestätigte darin einen Bericht der Bild am Sonntag, nach dem der Verfassungsschutz 1998 oder 1999 versucht habe, den untergetauchten rechtsextremen Bombenbauern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 2.000 D-Mark zukommen zu lassen – „zur Beschaffung falscher Ausweispapiere“. Danach habe das Amt den Betrag über einen V-Mann einem Dritten zugeleitet. Dieser behielt das Geld jedoch für sich, wodurch das Vorhaben scheiterte, Kenntnisse über mögliche Tarnidentitäten des Trios zu erlangen. Die Behörde hatte gehofft, die drei würden sich mit neuen Identitäten wieder aus der Deckung wagen.

Es sind solche Berichte, die den Spekulationen immer wieder neue Nahrung geben, der Verfassungsschutz könnte im Fall der Zwickauer Terrorzelle seine Hände im Spiel gehabt haben. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehörten in den neunziger Jahren dem „Thüringer Heimatschutz“ an, einem Netzwerk von Rechtsextremisten, dessen führender Kopf, Tino Brandt, vom Verfassungsschutz unter dem Decknamen „Otto“ als Quelle geführt wurde. Brandt soll von 1994 bis zu seiner Enttarnung im Jahr 2001 etwa 200.000 D-Mark vom Verfassungsschutz erhalten haben. Das Geld steckte er nach eigenen Angaben in den Aufbau des „Thüringer Heimatschutzes“. Frühere Weggefährten bestreiten dies jedoch. Brandt war auch der V-Mann, dem der Verfassungsschutz die 2.000 D-Mark zur Beschaffung der gefälschten Ausweispapiere gab. Von ihm soll die Behörde laut Bild außerdem drei Exemplare des Brettspiels „Pogromoly“ zum Stückpreis von 100 D-Mark gekauft haben, eine Art nationalsozialistisches Monopoly mit SA- und SS-Feldern sowie Konzentrationslagern. Der Erlös aus dem Verkauf sollte den drei Untergetauchten zugute kommen.Zudem gab es mehrfach Berichte, staatliche Behörden hätten Zschäpe bis 2001 gedeckt, weil sie Informationen über die rechtsextreme Szene lieferte (JF 50/11). Der Thüringer Verfassungsschutz wies dies allerdings zurück.

Anfang der Woche berichtete dann die Berliner Zeitung, die thüringischen Verfassungsschützer hätten nach dem Abtauchen von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Anfang 1998 die Fahndung nach den dreien behindert. So hätte das Landesamt für Verfassungsschutz seinen V-Mann Brandt über Observierungsmaßnahmen der Polizei informiert. Ihm sei mitgeteilt worden, daß er aus einer angemieteten Wohnung in der Nähe seines Hauses überwacht werde. Der Verfassungsschutz dementierte dies umgehend. Es ließen sich „keinerlei Anhalte recherchieren, die derartige Behauptungen auch nur ansatzweise erhärten könnten“. Mit dem Fall beschäftigt sich nun – ebenso wie mit den 2.000 D-Mark aus der Kasse des Verfassungsschutzes für die gefälschten Ausweispapiere – die von der thüringischen Landesregierung eigesetzte Untersuchungskommission unter der Leitung des früheren Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt, Hannes Grünseisen, bestätigte auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, daß bei seiner Behörde mehrere Anzeigen gegen damals „Verantwortliche im Thüringer Innenministerium und Verfassungsschutz“ wegen möglicher Strafvereitelung im Amt eingegangen seien. Die Staatsanwaltschaft habe bislang aber keine Ermittlungen aufgenommen. Da die den Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten länger als fünf Jahre zurücklägen, seien diese möglicherweise ohnehin verjährt.

Ganz andere Sorgen dürften dagegen derzeit die Ermittler der Bundesanwaltschaft plagen: Wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtet, fürchtet man im Bundes-innenministerium, daß Zschäpe weder wegen Mordes beziehungsweise Beihilfe noch wegen der Mitgliedschaft in der als terroristische Vereinigung eingestuften Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ belangt werden kann. Die 36jährige befindet sich seit November in Untersuchungshaft, schweigt aber zu den Vorwürfen. Ihre beiden mutmaßlichen Komplizen Mundlos und Böhnhardt starben Anfang November in einem Wohnmobil in Eisenach. Bislang kann Zschäpe nur die Brandstiftung in der gemeinsamen Zwickauer Wohnung nachgewiesen werden. Mundlos und Böhnhardt würden somit als Einzeltäter gelten und nicht als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, denn für einen solchen Zusammenschluß braucht es laut dem Strafgesetzbuch mindestens drei Personen.

Foto: Fahndung nach Hinweisen zur Terrorzelle: 2.000 D-Mark für gefälschte Ausweispapiere

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