© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Linksextremer Internet-Pranger
Anonyme Hetzjagd
Dieter Stein

Viel ist in diesen Tagen von der Gefährdung der Pressefreiheit die Rede. Mit persönlichen Anrufen soll der Bundespräsident versucht haben, Journalisten mehrerer Zeitungen dazu zu bewegen, auf eine kritische Berichterstattung zu seiner Person zu verzichten. Auch Autoren dieser Zeitung haben in den letzten Tagen Anrufe erhalten. Am anderen Ende der Leitung war jedoch nicht das Schloß Bellevue, sondern anonyme Linksextremisten, die die Angerufenen als „Faschoschweine“ und NPD-Sympathisanten beschimpften und körperliche Gewalt androhten.

Auslöser dieser Attacken war eine im Juli des vergangenen Jahres veröffentlichte Liste mit 380 Anschriften, Telefonnummern und E-Post-Adressen auf der linksextremen Internetseite „Indymedia“. Es waren dies Adressen überwiegend von JF-Autoren, Interviewpartnern, aber auch Personen, die in keinerlei Verbindung zu dieser Zeitung stehen. Damals war das Echo verhalten – jetzt wurde die identische Liste zum Jahreswechsel noch einmal auf einer Internetseite namens „Nazi Leaks“ veröffentlicht, begleitet von einem großen Presseecho. Die Seite brüstet sich damit, durch Hackerangriffe geraubte Daten über Rechtsextremisten, insbesondere von Rechnern der NPD, zu veröffentlichen.

Selbstverständlich sind seitens der JF Anwälte eingeschaltet und Strafanzeigen gestellt worden. Die Urheber sind jedoch nicht greifbar, weil die Internetseiten ohne presserechtlich Verantwortlichen bewußt über unerreichbare Adressen in südamerikanischen Städten oder anderswo freigeschaltet sind. Als „Anonymous“ bezeichnen sich die Aktivisten, bei Indymedia verkündeten die Chaoten drohend: „Wir kriegen euch alle“. Dieser Satz wurde auch schon an die Wände von zwei Wohnhäusern gesprüht, in denen JF-Autoren wohnen.

Das Ganze erinnert eigentlich eher an gespenstische Vorgänge wie in China oder Rußland, wo die Vogelfreiheit zur Tagesordnung gehört. Es wäre jetzt zu erwarten, daß sich Medienschaffende und ihre Standesverbände mit den Angegriffenen solidarisieren. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) lehnte es jedoch bis zum Redaktionsschluß ab, das Vorgehen öffentlich zu verurteilen, der Pressesprecher ließ mitteilen, man sehe „keinen Handlungsbedarf“.

Tatsächlich jedoch wird mit den anonymen Fahndungslisten, quasi einem modernen Internet-Pranger, massiver Druck auf das private Umfeld von Journalisten ausgeübt, die ihr durch die Verfassung verbrieftes Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit ausüben wollen – das elementare Recht einer Demokratie. Das Schweigen gegenüber solchen Aktionen ist bezeichnend, noch skandalöser die klammheimliche Sympathie einiger Zeitungsmacher, denen jedes Mittel recht zu sein scheint, um unliebsame Meinungen an den Rand zu drängen.

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