© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

„Es wird Krawalle geben“
Geschichtspolitik: Dresden rüstet sich für das Gedenken an die Bombenopfer
Paul Leonhard

Dresden wird auch am 67. Jahrestag seiner Zerstörung durch alliierte Bomber nicht zur Ruhe kommen. Unter dem Motto „Mit Mut, Respekt und Toleranz – Dresden bekennt Farbe“ soll am 13. Februar eine die Altstadt umfassende Menschenkette gebildet werden. Der Aufruf dazu wurde von Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), den Stadtratsfraktionen, Vertretern der Wirtschaft, Hochschulen, Kirchen und Gewerkschaften unterzeichnet.

Die Stadt wolle es nicht länger unwidersprochen hinnehmen, daß Rechtsextremisten den Jahrestag des Bombenangriffs vom 13. Februar 1945 mißbrauchen, heißt es in dem Aufruf. Den „neuen Anhängern der schrecklichen alten Ideologie“ müsse friedlich entgegengetreten werden. Gleichzeitig wurden die traditionellen Kranzniederlegungen auf dem Heidefriedhof, auf dem die meisten Bombenopfer bestattet worden sind, abgesagt, um „den Nazis eine Plattform des Geschichtsrevisionismus“ zu nehmen. Dafür sollen die Dresdner mit weißen Rosen ihrer Toten gedenken dürfen. Gegen Störer werde man vorgehen: Im Zweifelsfall habe die Stadt das Hausrecht, drohte der zuständige Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Er räumte auch ein, daß er alle Gedenkveranstaltungen zuvor mit den „Siegermächten des Zweiten Weltkriegs“ abstimmt.

Während die Dresdner Stadtpolitik optimistisch ist, daß der auf einen Montag fallende 13. Februar friedlich verlaufen wird, rechnet man für den 18. Februar erneut mit Ausschreitungen. Im vergangenen Jahr hatte es an dem auf den 13. Februar folgenden Sonnabend trotz des Einsatzes von 6.200 Polizisten in Dresden Gewaltexzesse zwischen Links- und Rechtsextremisten gegeben, bei denen 131 Polizisten verletzt wurden. Vor der wachsenden Militanz linker Autonomer warnte Sachsens Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos. Die linksextreme Szene verübe im Freistaat mehr Gewalttaten als die rechtsextremistische.

„Es wird wieder Krawalle geben“, ist sich der Dresdner Polizeichef Dieter Kroll gewiß. Man habe die „extremen Ränder nicht im Griff“. Diese würden seit mehr als einem halben Jahr mobilisieren. In einem Interview mit der Sächsischen Zeitung bezeichnete es Kroll als „beklagenswert, daß viele Militante im linken Spektrum Unterschlupf gefunden haben“. Die Polizeivideos würden zeigen, daß nur wenige Meter von den Krawallen Fahnen des Deutschen Gewerkschaftsbundes geschwenkt wurden. Was er gesehen habe, sei „geplante, koordinierte, pure, nackte Gewalt“ gewesen.

Sachsens Polizei befürchtet für den 18. Februar erneut „bürgerkriegsähnliche Zustände“. Wie diese herbeizuführen sind, wird an der Technischen Universität Dresden diskutiert. Dort fand Anfang Oktober eine Aktivierungskonferenz statt. „Gemeinsam wurde beraten, wie wir zukünftig Blockaden organisieren, Repressionen gemeinsam abwehren und noch mehr Menschen zu entschiedenem Eintreten gegen Neonazi-Umtriebe ermutigen“, heißt es auf der Internetseite des Bündnisses „Dresden nazifrei“. Dieses hält weiterhin an Blockaden und einem Blockadetraining fest, „um zu vermitteln, was es bedeutet zu blockieren und wie wir spektrenübergreifend und solidarisch Aktionen auf einer Blockade gestalten“ können. Ebenfalls an der TU Dresden soll Ende Januar ein Internationaler Kongreß der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Motto „Ungehorsam! Ziviler Ungehorsam und kollektiver Regelverstoß“ stattfinden. Dabei will man sich insbesondere am Beispiel Dresden „mit den politischen Gegenstrategien von Konservativen in Justiz und Politik“ beschäftigen.

Zu den Erstunterzeichnern eines Aufrufes des „Nazifrei“-Bündnisses zu Massenblockaden gehören die Vize-Bundestagspräsidenten Katrin Göring-Eckardt und Wolfgang Thierse, der Liedermacher Konstantin Wecker, mehrere Bundestagsabgeordnete und Oberbürgermeister. Für das insbesondere bei Thierse beliebte „symbolträchtige Wegtragen“ hat Polizeichef Kroll sogar ein gewisses Verständnis. Blockaden seien ein Symbol des linken Protestes und „diese Möglichkeit der Meinungsdarstellung deckt auch unsere Verfassung ab, solange es friedlich ist“. Blockaden dürften aber nicht das Ziel haben, anderen das Ausüben ihrer Grundrechte zu verwehren.

Daß eine Landtagsabgeordnete der Linken noch Monate nach den Ausschreitungen dazu aufgerufen hatte, mit dem linksautonomen „Schwarzen Block“ zusammenzuarbeiten, um Polizeiketten zu „durchfließen“, wie der Dresdner Staatsanwalt Jan Hille beklagte, interessiert dabei weder CDU noch die Liberalen in der Stadt an der Elbe. Vor allem FDP-Landeschef Holger Zastrow hatte bisher immer gemeinsame Proteste mit der Linkspartei abgelehnt

Anfang der Woche meldete sich Sachsens Ministerpräsident Staniuslaw Tillich (CDU) zu Wort und rief Menschen in ganz Deutschland zu Protesten gegen die Demonstrationen der Rechtsextremisten auf. Gleichzeitig sprach er sich gegen Blockaden aus, diese seien kein geeignetes Mittel. Proteste in Sicht- und Hörweite der Rechtsextremen sollten seiner Ansicht nach aber möglich sein.

Foto: Menschenkette in Dresden am 13. Februar 2011: Stadt droht mit dem Hausrecht

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