© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/12 06. Januar 2012

Den Alten Fritz neu entdecken
Potsdam im Friedrich-Fieber: Zum 300. Geburtstag ihres „großen Sohnes“ ist die Stadt gerüstet / Viel Kunst und Historie – wenig Preußens Gloria
Curd-Torsten Weick

Schaut man vom wenig ansehnlichen Hauptbahnhof hinab in die Potsdamer Innenstadt, so hat sich in den letzten Monaten doch einiges verändert. Der Neubau des Stadtschlosses ist weit vorangeschritten, die Straßenführung angepaßt. Potsdam putzt sich für die Feierlichkeiten zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen im Jahr 2012 heraus. Mit großem Aufwand wurden die Räumlichkeiten des Neuen Palais im Park von Sanssouci restauriert. Die Sanierungsarbeiten am Alten Rathaus, dem neuen Standort des Potsdam-Museums nahe der Nikolaikirche, sind weit vorangeschritten.

Geht man dann über die Lange Brücke Richtung Zentrum ist es schon überraschend, wie niedrig der Schloßneubau ist. Drei Stockwerke. Keine Spur von Größenwahn und Gloria – abgesehen vom 17stöckigen Hotelbau gegenüber. Einige Schritte weiter dann endlich ein Hinweis auf das Jubiläum, das am 24. Januar seinen Höhepunkt erreichen soll. „Friederisiko“ kündigt  der blaue Schriftzug vor dem Marstall. Die 23 Meter lange Stahlplastik – geformt in einer stilisierten Handschrift des Preußenkönigs – soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verstärkt auf das Jubiläumsjahr lenken, erklärt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG).

„Friederisiko – Friedrich der Große“? Unter dem Namen präsentiert die SPSG zwischen dem 28. April und dem 28. Oktober eine Entdeckungsreise zum Alten Fritz durch 70 teilweise erstmals zugängliche Säle und Kabinette im Neuen Palais sowie an ausgewählten Orten im Schloßpark Sanssouci. Die zentrale Ausstellung im Friedrichjahr soll Friedrichs „spielerischen Drang zum Risiko“ beleuchten. War er „Genie oder Getriebener? Hasardeur oder Stratege? Menschenverächter oder Feingeist?“

Umrahmt wird die Friedrich-Ausstellung von einer Vielzahl anderer Veranstaltungen. So gibt es ein „Fest für Friedrich“ (Termine siehe rechts) mit einem vielfältigen Kulturprogramm. Höhepunkt der Festivitäten ist ein öffentliches Geburtstagsfest am 24. Januar in der historischen Innenstadt. Dem nicht genug. Das Potsdam-Museum (Altes Rathaus) zeigt die Schau „Friedrich und Potsdam – Die Erfindung (s)einer Stadt“. Im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte untersucht man die Legenden und Mythen rund um den Alten Fritz und die Kartoffel. Das Filmmuseum beleuchtet den „falschen Fritz“ im Film und präsentiert die Filme mit dem legendären Friedrich-Darsteller Otto Gebühr.

 Das Hans-Otto-Theater offeriert das Theaterspiel für den König von Preußen „Fritz!“ (eine „freche, temporeiche Farce über das Ringen der Nachgeborenen um die politische Auslegung von Leben und Wirken des großen Preußenkönigs“) und in der Metropolis-Halle im Filmpark Babelsberg läuft das Musical „Friedrich – Mythos und Tragödie“ („Spannende Episoden, bewegende und tragische Momente“).

Liegt Potsdam also im Alte-Fritz-Fieber? Den Medien und Stadtoberen zufolge seit langem. Bereits zum 299. Geburtstag im letzten Jahr lobte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs  den Herrscher als „großen Sohn der Stadt“ sowie als „weisen Staatsmann, der sein Handeln reflektiert hat“ (Potsdamer Neueste Nachrichten). Parallel dazu zeigt sich der SPD-Politikert erfreut über Fortschritte beim Neubau des friderizianischen Stadtschlosses.

Stadtschloß? Noch bei der Grundsteinlegung im Februar 2011 hatte Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) erklärt „Wir bauen kein Stadtschloß, sondern einen Landtag in historischer Hülle.“

Landtagsschloß? Stadtschloß? Landtagsneubau in Schloßgestalt? Die Wortklauberei offenbart die Probleme, die Brandenburgs Hauptstadt mit ihrem preußischen Erbe hat. „Umstritten“, „kein Geld“ hörte und hört man immer wieder. Kein Wunder, daß der Verein Potsdamer Stadtschloß e.V., die Bürgerinitiative „Mitteschön“ sowie Großspender wie der SAP-Gründer Hasso Plattner viel Arbeit und Mittel für den möglichst originalgetreuen Aufbau des Potsdamer Stadtschlosses (Fassade, Kupferdach) aufwenden müssen.

Doch die Scharmützel um die historische Mitte Potsdams – Stichwort Garnisonkirche (Fertigstellung des Turmes für 2017 geplant) – werden dem Alten Fritz in seinem Sans Souci wenig Sorgen bereiten. Und auch der Chef der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Hartmut Dorgerloh, gibt sich gegenüber dem RBB-Inforadio preußisch bescheiden: „Wenn vielleicht mehr Menschen Friedrich nicht bloß kennen, sondern auch etwas über ihn wissen“, dann wäre das schon „ein sehr guter Erfolg dieses Jubiläumsjahres.“

 

„Friedrich 300“ in Potsdam

12.  Januar, 19.30 Uhr

„Fritz! – Ein Theaterspiel für den König von Preußen “ (Premiere), Hans-Otto-Theater,

www.hansottotheater.de

 24. Januar, ab 19 Uhr

„Happy Birthday, Friedrich!“ Friedrichs Nacht zum 300. Geburtstag in der historischen Potsdamer Innenstadt,
www.friedrich300.de

24. Januar, 20 Uhr

„Der falsche Fritz – Friedrich II. im Film“. Ausstellungseröffnung, Filmmuseum Potsdam

www.filmmuseum-potsdam.de

2. März , 18 Uhr

„Der Choral von Leuthen“, Spielfilm,  D 1932/33, Filmmuseum

6. April , 18 Uhr

„Das Flötenkonzert von Sanssouci“,  Spielfilm, D 1930, Filmmuseum

 28. April bis 28. Oktober

„Friederisiko“, zentrale Friedrich-der-Große- Ausstellung, Neues Palais und Park Sanssouci

www.friederisiko.de 

 1. Juni bis 31. August

„Friedrich – Das Musical. Mythos und Tragödie“, Metropolis-Halle, Großbeerenstraße 200

www.metropolis-halle.de

 9. bis 24. Juni

„Rührt euch!  Friedrich der Große, die Musik und Europa“,  Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2012

www.musikfestspiele-potsdam.de

 6. Juli, 18 Uhr

„Der Alte Fritz“, Spielfilm, D 1927/28, Filmmuseum

 19. bis 22. Juli, 20 Uhr

„Le Carrousel de Sanssouci‘“, barockes Reiterspektakel, Am Neuen Palais www.carrousel-de-sanssouci.de

 20. Juli bis 28. Oktober

„König & Kartoffel. Friedrich der Große und die preußischen ‘Tartuffoli’, Ausstellung, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kutschstall, Am Neuen Markt 9

www.hbpg.de

 20. August bis 2. Dezember

„Friedrich und Potsdam – Die Erfindung (s)einer Stadt“, Ausstellung

Potsdam-Museum (Altes Rathaus), Am Alten Markt

www.potsdam.de/potsdam-museum

 21. September, 19.30 Uhr

„Dich entbehr ich allein“, Musikalisch-literarisches Programm zum Briefwechsel Friedrichs II. mit seiner Schwester Wilhelmine von Bayreuth, Französisch-Reformierte Gemeinde in Potsdam, Gutenbergstr. 77

 5. Oktober, 18 Uhr

„Fridericus“, Film, D 1935, Filmmuseum

 7. Dezember, 18 Uhr

„Der große König“, Spielfilm, D 1942, Filmmuseum

 www.kulturland-brandenburg.de

 www.friedrich300.de 

Fotos: „Friedrich II.“ bei einem militärhistorischen Treffen auf dem Krongut Bornstedt: Ob Jubiläum oder nicht – in Potsdam ist der Alte Fritz en vogue; „Friederisiko“: Rätselhafte Werbung vor dem Marstall; Stadtschloß-Neubau: „Landtag in historischer Hülle“; Neues Palais (Park Sanssouci): Ort der Hauptausstellung

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