© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Nationales Selbstbewußtsein
Die Deutschen wollen normal sein
Klaus Hornung

Die aktuelle Affäre um die Kreditangelegenheiten des Bundespräsidenten und sein ungeschicktes Taktieren ist nur die eine Seite des Problems. Seine politischen Wortmeldungen und Inszenierungen sollten darüber nicht vergessen werden. Ausgerechnet zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 hatte der Präsident seinem Entzücken Ausdruck gegeben, daß der Islam heute zu Deutschland gehöre. Diese Idee hat Wulff in seiner jüngsten Weihnachtsansprache wiederholt, die er im Kreis einer Auswahl vor allem jüngerer Menschen aus der deutschen „Bevölkerung“ inszenierte.

Die Altachtundsechziger und die anderen Linken im Land werden dieses Bekenntnis Wulffs mit mehr als heimlicher Freude aufgenommen haben – als offiziellen Segen des christdemokratischen Staatsoberhaupts zu ihren jahrzehntelangen Bemühungen, Deutschland zu „modernisieren“ und zu entnationalisieren.Tatsächlich arbeiten der Präsident und nicht zuletzt die Kanzlerin unverdrossen an dem Projekt der deutschen Selbstabschaffung, die Kanzlerin auf dem strategischen Parkett in Europa und des vermeintlichen globalen Fortschritts, der Präsident mit seinen Einflußnahmen auf die öffentliche Meinung. Diese Strategie richtet sich gegen die Mehrheit der deutschen Staatsbürger, des demokratischen Souveräns.

Die Mehrheit mißtraut diesem neuen deutschen Sonderweg im Zeichen eines anbiedernden Internationalismus. Schon Winston Churchill hatte einst das eigenartige Schwanken der Deutschen und ihrer politischen Klasse zwischen Herrenmenschentum und Unterwürfigkeit tief irritiert: Man habe sie entweder an der Gurgel oder auf den Knien. 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wollen die nachwachsenden Generationen von diesen Extremhaltungen nichts mehr wissen. Sie wollen mehr denn je Normalität, als Nation unter Nationen wie die anderen auch, die Franzosen, Briten, Polen, Spanier. Der Mehrheit der heutigen Deutschen ist die Neigung zu nationaler Charakterwäsche und Devotheit fremd geworden.

Es ist an der politischen Klasse, dazuzulernen, etwa ihre Versuche aufzugeben, die politische Krise Europas durch internationalistische Sonderopfer der Deutschen lösen zu wollen. Die Trümmer eines solchen antinationalen Kulturkampfes von oben werden ihr früher oder später auf den Kopf fallen.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaft an der Universität Hohenheim.