© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

CD: Extreme Metal
Akustischer Gewaltexzeß
Nils Wegner

Das britische Duo Anaal Nathrakh sucht die Welt seit 1999 mit unverwechselbar brachialen Klängen heim, für die das Etikett „Extreme Metal“ zutreffender nicht sein könnte. Dabei wollen weder die bemalungs- und lederrüstungsfreien Musiker ins meist pathetisch-bitterböse Konzept passen, noch ihr Bandname, entstammt dieser doch dem Film „Excalibur“ und soll soviel wie „Atem der Schlange“ bedeuten.

Auch inhaltlich ist die Gruppe schwer einzuordnen, da grundsätzlich keine Texte zu ihren Liedern veröffentlicht werden. Das tiefe, kehlige Brüllen von Frontmann Mick Kenney sowie seine Schreie sind kaum zu verstehen. Interpretationsversuche von Fans gibt es erst, seit Kenney dazu überging, in die Lieder auch klare und melodische Passagen zu integrieren. Gewiß ist nur, daß der thematische Fokus auf der Apokalypse liegt und viel mit Misanthropie zu tun hat. Als Leitmotiv bezeichneten Kenney und der Multiinstrumentalist Dave Hunt die Idee, einen „Soundtrack zum Jüngsten Gericht“ schaffen zu wollen. Heute gehören sie zum Härtesten in der unübersichtlichen Metalszene.

Mit „Passion“ ist 2011 ihr sechstes Studioalbum erschienen. Nach den beiden Vorgängern waren die Erwartungen hoch; um so nachdenklicher steht der Hörer vor dem neuesten Werk. „Nichts Halbes und nichts Ganzes“, möchte einem in den Sinn kommen, doch überwiegt das „Halbe“, ist das Album doch nach einer Spielzeit von nur 36 Minuten durchgelaufen.

Im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen treten religiöse Bezüge auf dem neuen Werk ein wenig zurück. „Volenti Non Fit Iniuria“ läutet das Album mit verzerrtem Rauschen, einem unheilsschwangeren Gitarrenmotiv und gequälten Schreien ein, um dann nach einem stampfenden Übergang die bandübliche Mischung aus sich abwechselnden Blasts (extrem schnelle, vom Schlagzeug vorangepeitschte Phasen) mit dämonischem Gegeifer und melodischen Refrains abzuspulen. Dabei ist Kenneys Klargesang durchaus beeindruckend.

„Drug-Fucking Abomination“ verfolgt nach einem dreiminütigen Intro dasselbe Schema, wobei die harmonischen Anteile deutlich gedehnt wurden und Tragik transportieren. Demgegenüber ist das folgende „Post Traumatic Stress Euphoria“ ein eineinhalbminütiger akustischer Gewaltexzeß.

„Le diabolique est l‘ami du simplement mal“ beklagt offenbar harsch menschliche Niedertracht, während „Locust of Damnation“ innerhalb einer Minute der achten biblischen Plage mit einem wahren Schlagzeuggewitter gerecht zu werden sucht. Mit „Tod hütet Übel“ schließt sich ein größtenteils deutschsprachiges Lied an, das Kenney in seinem Duktus angelehnt an die ehemals sehr einflußreiche Dark-Metal-Band Bethlehem vorträgt. Mit den treibenden, wutglühenden „Paragon Pariah“, „Who Thinks of the Executioner?“ und „Ashes Screaming Silence“ folgen drei typische Anaal-Nathrakh-Stücke, ehe das instrumentale „Portrait of the Artist“ den Hörer aus dem klanglichen Schwefelregen des Albums hinausgeleitet.

Neuerfunden haben sich Anaal Nathrakh auf „Passion“ wahrhaftig nicht. Zudem bleibt der bittere Beigeschmack eines viel zu kurzen Werks, das den Erwartungen an ein Vollzeitalbum nicht gerecht werden kann.

Anaal Nathrakh, Passion Plastic Head (Soulfood) www.XYZ.de