© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Gymnasialer Bewältigungssport
Der Skandal mit dem Zeitzeugen
(wm)

Gustav Heinemann, das Staatsoberhaupt mit dem geringsten Glamourfaktor seit 1949, schrieb, mit Blick auf den 100. Jahrestag der Reichsgründung, einen „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten“ aus, der die „demokratischen Traditionen“ ins Bewußtsein der deutschen Schuljugend heben sollte. Den von der multikulturell stark engagierten Hamburger Körber-Stiftung getragenen Wettbewerb gibt es noch heute, und Heinemanns jüngster Nachfolger ChristianWulff konnte daher kurz vor Weihnachten die Klasse 13a des Otto-Hahn-Gymnasiums in Geesthacht mit dem ersten Preis auszeichnen. Unter 1.152 Beiträgen fiel die Wahl auf eine Arbeit, die auch ein Stück eigene gymnasiale „Vergangenheitsbewältigung“ sein sollte. Denn 1963 begrüßte der Schülersprecher und spätere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel den pensionierten Großadmiral Karl Dönitz, der im Geesthachter Gymnasium als Zeitzeuge referierte. Diesen „Skandal“ einer „feigen Verdrängung und verlogenen Verherrlichung“ der Kriegsgeneration thematisiert die Klassenarbeit, deren Verfasser sich im Rahmen der ideologischen Vorgaben der Körber-Stiftung allen Ernstes „viel kritischer“ dünken als die Altvorderen, die dem „Helden-Geseire“ (Schleswig-Holsteinische Landeszeitung ) des letzten Reichspräsidenten widerspruchslos lauschten.

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