© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/12 13. Januar 2012

Frisch gepresst

Rußlandkrieg. Der seit 1941 zwischen Wehrmacht und Roter Armee ausgefochtene Krieg liefert bis heute unablässig Stoff für geschichtspolitische Kontroversen. Umkämpft ist dabei vor allem, ob das „Unternehmen Barbarossa“ mit einem deutschen „Präventivschlag“ eröffnet wurde, ob ein „Vernichtungskrieg“ stattfand, ob aufgrund eines „Hungerplans“ Gefangenenheere und Zivilisten dezimiert werden sollten, ob Operationen gegen Partisanen nur ein Vorwand zur „Endlösung der Judenfrage“ waren. Debatten über diese und andere strittige Themen des Rußlandkrieges analysiert der pensionierte Brigadegeneral Dirk W. Oetting mit der Kühle des gelernten Juristen. Er deckt dabei Schicht um Schicht die „gnadenlose Einseitigkeit“ einer sich als „kritisch“ gerierenden Kohorte jüngerer Zeit- und Militärhistoriker auf, die schon durch die boulevardesken Buchtitel („Kalkulierte Morde“) verraten, daß es weniger um Wissenschaft als um die ideologische Instrumentalisierung von Geschichte geht. Oetting arbeitet dagegen die verwirrende Komplexität des Geschehens in einer Weise heraus – etwa in seinen bestechend klar argumentierenden Kapiteln über den Partisanenkrieg – das sie die vom Zeit-Spiegel-Welt-Kartell reflexartig besungenen Erzeugnisse der Gerlach, Heer, Hartmann & Co. wie Heftchen-Literatur der Marke „Der Anti-Landser“ aussehen läßt. (ob)

Dirk W. Oetting: Verbrannte Erde. Kein Krieg wie im Westen. Wehrmacht und Sowjetarmee im Rußlandkrieg 1941–1945. Ares Verlag, Graz 2011, gebunden, 384 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro

 

Kriegserlebnisse. Zwischen einem Viertel bis zu über vierzig Prozent der Jahrgänge deutscher Männer zwischen 1919 und 1925 haben den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. Nicht erst seit dem „1927er“ und Waffen-SS-Soldat Günter Grass sollte bekannt sein, daß eine Freiwilligkeit, zu den Waffen zu stürmen, für die meisten Landser eher ein Ausnahmephänomen war. Der 1924 geborene Hesse Wilhelm Velten, Anfang 1943 zur Wehrmacht eingezogen, war nach eigenem Bekunden jedenfalls ein „Unfreiwilliger“, der nach Einsätzen in Frankreich, Italien und im Osten des Reiches 1945 kriegsversehrt ohne linken Arm überlebt hat. Nüchtern, teilweise ergreifend, aber niemals pathetisch sind Veltens Kriegserlebnisse ein wertvoller Beitrag des literarischen Erbes dieser Kriegsgeneration. (bä)

Wilhelm Velten: Kriegserlebnisse eines Unfreiwilligen von 1943 bis 1945. Bauer Verlag, Thalhofen 2011, gebunden, 241 Seiten, Abbildungen, 23 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

17. Januar 1972: Regierungssprecher Conrad Ahlers (SPD) kündigt in Bonn Kreditaufnahmen des Bundes zum Ausgleich des Haushaltsdefizits von 1971 von drei Milliarden Mark an. Zugleich warnt Ahlers davor, die Finanzlage des Bundes zu dramatisieren.