© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Blasphemie im Hamburger Thalia-Theater
Alle Jahre wieder
Moritz Schwarz

Jesus Christus nackt. Hunderte Christen und Konservative in Frankreich, Österreich und Deutschland protestieren zu Recht gegen das Stück „Gólgotha Picnic“, das nun ins Hamburger Thalia-Theater kommt (siehe Seite 14).

Natürlich wird das Häuflein der Aufrechten in den Medien bestenfalls ignoriert werden – wenn nicht verlacht oder gar als „christliche Taliban“ dargestellt, die unterschwellige Assoziation zu latenter Gewaltbereitschaft inklusive. Sicher muß es erlaubt sein, ein kritisches Theaterstück über die Religion zu inszenieren, aber darin die Gefühle der Gläubigen zu verletzen ist es nicht. Hand aufs Herz, wären die Empörten jüdischen oder moslemischen Glaubens, würde der Protest öffentlich ernst- und aufgenommen werden. Christen dürfen also mal wieder das Gefühl haben, Bürger zweiter Klasse im eigenen Land zu sein – woran nicht die Bürger anderer Konfession, sondern Medien, Kulturschaffende und eine feige Öffentlichkeit schuld sind.

Daß wichtigtuerische Theaterfritzen mit einem nackten Jesus hilflos um Aufmerksamkeit heischen, ist freilich – eingedenk etwa der Blutorgasmen auf Christuskreuzen eines Hermann Nitsch schon vor dreißig Jahren – nichts Neues. So sind sie eben, alle Jahre wieder. Der eigentliche Skandal dagegen ist das Schweigen der Kirchen, die feige, aus Angst anzuecken, die eigenen Gläubigen im Regen stehen lassen.

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