© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Freie Wähler zieht es nach Norden
Schleswig-Holstein: Die Landtagswahl im Mai wird zum Testlauf für den eurokritischen Kurs und das Engagement von Hans-Olaf Henkel
Marcus Schmidt

Als der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel kurz vor Weihnachten auf einer Pressekonferenz in Berlin verkündete, er werde sich künftig bei den Freien Wählern engagieren, war die Überraschung groß. Henkel, der jahrelang als Parteigänger der FDP galt, war in den Monaten zuvor immer wieder mit der Gründung einer neuen eurokritischen Partei in Verbindung gebracht worden.

Mit den Freien Wählern, die rund 280.000 Mitglieder zählen, setzt Henkel nun auf eine Formation, die vor mehr als drei Jahren deutschlandweit für Furore sorgte, als sie mit 10,2 Prozent in den bayerischen Landtag einzog und damit das Regierungsmonopol der CSU brach. Doch seitdem war es zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung außerhalb des Freistaates deutlich stiller um die Freien Wähler geworden. Dennoch waren sie bis zum Einzug der Piratenpartei in das Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen September die unangefochtenen Hoffnungsträger für eine neue Partei jenseits der Etablierten. Mit den Piraten verbindet die Freien Wähler eine gewisse organisatorische Urwüchsigkeit. Beide Formationen wachsen im besonderen Maße „von unten“ und zeichnen sich durch eine schwach ausgeprägte bundespolitische Führungsebene aus.

Der Aufbau der Freien Wähler und die Unterscheidung zwischen Bundesvereinigung auf der einen und Bundesverband auf der anderen Seite ist dabei etwas für Feinschmecker. Denn als bundespolitisch greifbare Organisation gibt es die Freien Wähler überhaupt erst seit 2009, als sie sich nach kontroversen Diskussionen dazu entschlossen, zur Europawahl anzutreten. Da aber nicht alle im Bundesverband zusammengeschlossenen Mitgliedsverbände den Wahlantritt mittragen wollten, kam es als Kompromißlösung zur Gründung einer eigenen Bundesvereinigung, die indes eng mit dem Bundesverband und den einzelnen Landesgliederungen verzahnt ist – so ist der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im bayerischen Landtag, Hubert Aiwanger, Vorsitzender beider Bundesorganisationen. Teilweise gibt es aber nach wie vor Rivalitäten bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen den parallel bestehenden Landesverbänden der Bundesvereinigung und des Bundesverbandes.

Diese unübersichtliche Struktur hat ihren Ursprung in der Entstehungsgeschichte der Freien Wähler als Zusammenschluß unabhängiger Kandidaten und Wählervereinigungen in den Kommunen. Ihnen ging es von Anfang an abseits jeder Parteipolitik um die Umsetzung konkreter Themen, sei es die Einrichtung einer Fußgängerzone oder eines neuen Gewerbegebietes. Ein ausgeprägter bundespolitischer Überbau war dazu ebensowenig notwendig wie ein ausformuliertes Programm. Noch heute sucht man ein solches vergeblich. Parteiprogramme dienten den Parteien nur als Instrument zur Disziplinierung der Mandatsträger, heißt es bei der Bundesvereinigung zur Begründung. „Freie Wähler entscheiden ausschließlich nach sachpolitischen Erwägungen und nicht nach ideologischen Gesichtspunkten.“ Ganz ohne inhaltliche Korsettstange geht es bei den Freien Wählern dann aber doch nicht. In einem knappen zweiseitigen Grundsatzprogramm sind die politischen Ziele auf Bundesebene zusammengefaßt. Die Grundfärbung ist dabei „bürgerlich“, etwa wenn beim Thema Innere Sicherheit die „Ausschöpfung des Strafrahmens“ und ein „verbesserter Opferschutz“ gefordert wird.

Doch für die von Aiwanger und Henkel angekündigte Offensive der Freien Wähler rückt nun die Europapolitik ins Zentrum. Als Testlauf hierfür ist die Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Mai vorgesehen. Am Sonnabend will Aiwanger gemeinsam mit Hans-Olaf Henkel und dem Landesvorsitzenden Alfred Zellfelder in Kiel das Konzept für die Landtagswahl vorstellen. Die anderen Parteien werden das Abschneiden der Freien Wähler in Schleswig-Holstein aufmerksam beobachten. Sollte ihnen mit einem eurokritischen Kurs ein Achtungserfolg gelingen, dürfte sich in den Berliner Parteizentralen Unruhe breitmachen. Schließlich steht 2013 die nächste Bundestagswahl an.

www.freie-waehler-deutschland.de

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