© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Grüße aus Bozen
15 Milliarden für die Freiheit
Hans Gernheim

Das neue Jahr begann für die Südtiroler mit gar einigen Überraschungen. Einerseits macht sich der rigide Sparkurs der italienischen Zentralregierung bemerkbar, der die Benzinpreise auf 1,80 Euro pro Liter Superbenzin und die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent schnellen ließ. Andererseits zeigt sich immer deutlicher, daß die seit Jahrzehnten als vorbildlich propagierte Autonomielösung im Ernstfall keine effektive Schutzfunktion erfüllt.

Die neue Regierung von Ministerpräsident Mario Monti schert sich denkbar wenig um die international anerkannte Selbstverwaltung Südtirols und setzt den Hebel dort an, wo es die erfolgsverwöhnte Südtiroler Landesregierung am meisten schmerzt: am Landeshaushalt, der auch 2012 wieder um 20 Prozent gekürzt werden soll.

Mittlerweile trägt das kleine Südtirol mit nur 500.000 Einwohnern etwa eine Milliarde Euro zum italienischen Sparpaket bei, und ein Ende ist nicht in Sicht. Das läßt die Alarmglocken selbst jener Politiker schrillen, die im Verbleib Südtirols bei Italien die einzige Lösung sehen: Der als wirtschaftsliberal bekannte Landesrat Thomas Widmann von der Südtiroler Volkspartei forderte sogar, Südtirol solle sich „von Italien loskaufen“.

15 Milliarden Euro will Widmann an Italien zahlen und im Gegenzug dafür alle Politikbereiche an Südtirol delegiert sehen. Bei der Regierung in Rom solle demnach nur mehr die Verteidigungs-, Währungs- und die Außenpolitik verbleiben. Die deutschen Oppositionsparteien im Südtiroler Landtag, die für die völlige Trennung Südtirols vom italienischen Staat eintreten, sehen darin einen weiteren Beweis für die einseitige Fixierung der regierenden Südtiroler Volkspartei auf die wirtschaftliche Entwicklung.

Das Recht auf Loslösung von Italien, so Freiheitliche und Südtiroler Freiheit gemeinsam, kann nicht erkauft, sondern nur durch politische Maßnahmen erkämpft und erreicht werden. Und, so die nachvollziehbare Kritik der beiden Parteien, wenn schon die hochgelobte bisherige Autonomie beim ersten Sturm wackelt, wieso dann erst überhaupt eine weitere Autonomie anstreben und nicht die komplette Loslösung von einem Staat, der den Südtirolern bis heute fremd geblieben ist? Die Freiheitlichen haben als größte Oppositionspartei im Parlament bereits angekündigt, im Frühjahr einen Verfassungsentwurf für einen souveränen „Freistaat Süd-Tirol“ vorlegen zu wollen.

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