© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Beim traditionellen PC sind die Grenzen des Wachstums erreicht
Schlaue Telefone
Markus Brandstetter

Von 1990 bis 2010 sind die PCs für Konsumenten und Wirtschaft das gewesen, was die Pkws von 1960 bis 1980 waren: das Schwungrad der Wirtschaft; Produkte, die jeder wollte, brauchte und irgendwann auch kaufte. Die Motorisierung der Massen hat Generationen von Menschen genauso geprägt wie später der erste PC, der Internetanschluß und der Kampf mit den ziegelsteindicken Handbüchern. 20 Jahre lang ging es mit den PC-Verkäufen nur nach oben. Aber jetzt scheint sich der Trend nachhaltig umzukehren. Im dritten Quartal des Jahres 2011 fielen die PC-Auslieferungen weltweit im Vergleich mit demselben Quartal des Vorjahres um eineinhalb Prozent; in Westeuropa war der Rückgang sogar noch stärker (minus 11,4 Prozent). Was ist da los?

Der Grund dafür liegt im Produktlebenszyklus, einem Konzept, das jeder BWL-Student im Grundstudium lernt, und das besagt: Produkte entstehen, Verkäufe und Gewinne wachsen, erreichen einen Höhepunkt bevor sie wieder schwächer werden und eines Tages aufhören. In den Industrieländern hat der Individualrechner nun die Reifephase erreicht. Jeder, der einen PC braucht, hat schon einen. Es kommen keine neuen Käuferschichten mehr hinzu. Das Wachstum ist vorbei, der Markt gesättigt, große Technologiesprünge (das erste Ultrabook brachte Sony 2000 heraus) sind nicht in Sicht. Das führt dazu, daß die Umsätze stagnieren, die Gewinne sinken, die Fabrikauslastung zurückgeht und die Marktkonzentration steigt. Die ersten verschwinden vom Markt (Fujitsu-Siemens), der Rest verdient weniger (Dell, Acer, HP). Große Namen gehen unter oder werden aufgekauft (Compaq), chinesische Billigproduzenten (Lenovo) erobern den Markt, während einstige Nobelmarken (Toshiba) ein Nischendasein fristen.

Der PC-Markt steht erst am Anfang dieser Entwicklung, die Jahrzehnte dauern kann, aber die Zukunft ist absehbar: Die großen Marken HP, Acer und Dell werden zunehmend Marktanteile an aggressive Aufsteiger wie Lenovo (weltweit die Nummer zwei) oder Asus verlieren. Mit der PC-Herstellung wird sich bald kein Geld mehr verdienen lassen, die Gewinne werden in der Bewirtschaftung und Vermietung von dezentralen Rechen- und Speicherkapazitäten (Cloud Services) und dem Management übergreifender Systemketten liegen. Das wird die Aktien der Noch-Marktführer stark belasten. Aber erstmals werden auch Zulieferer und Partner in Mitleidenschaft gezogen, allen voran Microsoft und Intel, deren Geschäft mit den PC-Verkäufen steht und fällt.

Die Gewinner dieser Entwicklung sind die Hersteller von multifunktionalen Telefonen und Tablet-PCs, allen voran Samsung und Apple. Marktforscher glauben, daß 2016 die Hälfte aller Firmen Anwendungen einsetzen wird, die auf Smartphones oder Tablets laufen anstatt auf einem Rechner, der auf dem Schreibtisch steht.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen