© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Geschäfte in der Grauzone
Rüstungsexport: Mit Platz drei behauptet sich Deutschland in der Spitzengruppe der Wa­ enlieferanten / Balanceakte zwischen Innovation und Menschenrechten
Joachim Feyerabend

Geschäfte mit Leopard-, Marder- oder Fuchs-Panzern sowie Hightech-U-Booten, der Klasse 214, Ausfuhr deutscher Schußwaffen und Lizenzvergaben ans Ausland. Der Rüstungsexport boomt. Die Politik ist gespalten, die Regierung rechtfertigte kürzlich ihre positive Haltung zum Waffenexport, im Bundestag herrschte zeitweilig Aufruhr über das Engagement der Kanzlerin, des Verteidigungsministeriums und des Wirtschaftsministeriums bei der Genehmigung entsprechender Ausfuhren. Denn Deutschland mischte 2011 in der Welt als Waffenlieferant auf Platz drei in der Spitzengruppe der Waffenproduzenten mit. Und an Kunden ist kein Mangel. 2010 wurden nach Erhebungen des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung weltweit 363 Krisenherde gezählt. Größter Waffenkäufer der Welt ist derzeit Indien.

Der Verkauf von insgesamt 6.500 gebrauchten und neuen Panzern der Typen Leopard 1 und Leopard 2 seit der Jahrtausendwende wirft ein Licht auf den Umfang der Waffengeschäfte der Bundesrepublik. Ebenso sorgen Gerüchte um spektakuläre Waffenverkäufe („Der Bundessicherheitsrat hat offenbar Rüstungsprojekte für Algerien im Umfang von rund zehn Milliarden Euro freigegeben“, Handelsblatt vom 3. Juli 2011) für harsche Dementis aus Berlin.

Mit einem Anteil von elf Prozent (jüngste Studie des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI) positionierte sich Deutschland als Exporteur von schweren konventionellen Waffen (2006–2010) noch vor Frankreich (7 Prozent), Großbritannien (4 Prozent) hinter den Spitzenreitern USA (30 Prozent) und Rußland (23 Prozent) auf Rang drei. In Europa nimmt Deutschland Platz eins ein.

Über 2,1 Milliarden Euro Umsatz für 2011 weist der jüngste Rüstungsexportbericht der Regierung aus. Hauptschlager sind Kriegsschiffe (44 Prozent) und Panzer (27 Prozent). Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre betrug der Zuwachs 50 Prozent.

Unter den Kunden waren auch Problemländer wie Angola, Ägypten, Oman oder Pakistan. Gebrauchte Systeme wurden zum Schnäppchenpreis weiterveräußert, nach Chile beispielsweise 60 gebrauchte Kampfpanzer und 146 Schützenpanzer.

Weltweit erreicht das Volumen der offiziellen Waffenexporte zwischen 33 und 45 Milliarden Euro, die Rüstungsausgaben aller Staaten liegen zwischen 858 Milliarden und 1,3 Billionen Euro. Zum Vergleich: Entwicklungshilfe liegt bei rund 27 Milliarden.

Manchmal werden ganze Fertigungsanlagen verschifft, so in die Türkei für Gewehrmunition des Kalibers 5,56 Millimeter. Auch Lizenzen tragen zum Erfolg bei. Am Bosporus werden ebenfalls in Lizenz sechs deutsche U-Boote der Klasse U214 hergestellt. Mit einer sogenannten Re-Exportgenehmigung aus Deutschland wurde ein Leopard 2A6 in Saudi-Arabien getestet, die Anlieferung als „Wüstentraining“ deklariert.

Die Grauzone solch heißer Geschäfte ist groß. Allein im Jahr 2001 kauften 68 Nicht-EU-Länder, unter anderem aber auch Widerstandskämpfer und Kriminelle, Kleinwaffen und Munition im Wert von 14,5 Millionen Euro, wobei immer wieder das Sturmgewehr G3 der Oberndorfer Firma Heckler & Koch ins Schußfeld der Kritik gerät. Lizenzproduktionen im Ausland vernebeln ohnehin die wahren Größenordnungen. So will etwa der Iran 50.000 G3s in den Krisenstaat Sudan geliefert haben.

Geheimhaltung ist das oberste Gebot in der Sparte. Die Unübersichtlichkeit ist gewollt, da viele zivile Hersteller in Unterabteilungen ebenfalls am lukrativen Rüstungsgeschäft von etwa 16 Milliarden Euro jährlich beteiligt sind. Entsprechend beschwichtigte das Wirtschaftsministerium erst kürzlich: Es betreibe „keine aktive Außenwirtschaftsförderung für deutsche Rüstungsprodukte“ und unterstütze lediglich „in Einzelfällen die deutsche wehrtechnische Industrie durch politische Flankierung“.

Gleichwohl schlug Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei verschiedenen Auslandsreisen die Werbetrommel, sprach mit Israel über sechs U-Boote der Dolphinklasse, bot Angola Patrouillenboote an und macht sich für einen Panzerdeal mit den Saudis stark. Die Prinzen des fundamentalistisch-islamischen Staates sind im Widerstreit mit dem schiitischen Erzrivalen Iran nicht nur am Kauf von 270 Leopard-Panzern interessiert, parallel dazu kauften die sunnitischen Herrscher in den USA für 47 Milliarden Euro Waffen ein. Die grüne Politikerin Claudia Roth schäumte über Merkels Engagements: „Patronin der der deutschen Rüstungslobby“.

Pragmatiker verweisen darauf, daß mit Bann, Embargos und Verzicht der Markt keineswegs auszutrocknen sei, denn für jeden Ausfall springt ein anderer internationaler Produzent in die Bresche. Zudem dienten die Erlöse auch dem Ziel, die heimischen Wehranstrengungen auf dem höchsten Stand der Technik zu erhalten. Eine solche Diktion vertritt auch die Bundesregierung. Eine leistungsfähige, vor allem aber innovationsstarke wehrtechnische Industrie ist weiterhin gefragt – besonders vor dem Hintergrund der weitreichenden „technologischen Ausstrahlungseffekte“ für „viele andere Sektoren der deutschen Industrie.“

Angaben der Bundesregierung zufolge (Drucksache 17/8097, 8. Dezember 2011) beschäftigt der Kernbereich dieses Wirtschaftszweiges etwa 80.000 hoch- qualifizierte Mitarbeiter. Der Eurofighter habe dabei den höchsten Anteil. Aber auch Unternehmen, die wie der europäische Lenkwaffenhersteller MBDA (zum europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS gehörend) zusammen etwa mit Frankreich betrieben werden, mischen mit. Im Januar schloß die Firma mit Indien einen Vertrag über die Lieferung von 500 Raketen im Wert von einer Milliarde Euro ab. Im Dezember 2011 schloß die deutsche Atlas Elektronik mit der Thai-Marine einen Vertrag über Sea-Fox-Drohnen zum Aufspüren von Minen.

Ein weiterer deutscher Exportschlager sind neben Sturmgewehren und Raketen die leisen, nichtatomaren Jagd-U-Boote der Klasse 214 mit Brennstoffzellentechnik, die bereits an das klamme Griechenland, an Portugal, Südkorea und die Türkei geliefert wurden. Neuerdings steht auch Israel auf der Kundenliste, Indonesien dagegen kaufte 200 Leopard-Panzer.

Bei den deutschen Rüstungsgeschäften spielt vor allem auch der Handel mit gebrauchten Waffen eine bedeutende Rolle. Oft ein Schnäppchen für die Militärbefehlshaber fremder Länder und auf Umwegen auch wieder ein Geschäft für die Produzenten selbst. Denn in Deutschland fließen die Erlöse in Systemerneuerungen und in die Reform der Bundeswehr, die sich neuerdings auch mit den „intelligenten“ Waffen (Drohnen und Robotern) beschäftigt. Entsprechend wurden im Jahr 2009 146 gebrauchte Schützenpanzer vom Typ Marder und 60 gebrauchte Leopard-Panzer zum Stückpreis von 250.000 Euro an Chile verkauft – neu kosten sie bis zu drei Millionen Euro. Das Geschäft geht weiter, solange der Vorrat reicht. Denn nach dem Ende des Kalten Krieges reduziert die Bundeswehr im aktiven Dienst ihren Bestand von 2.125 „Leoparden“ auf 400.

Der Markt hat Konjunktur. Bürgerkriege, Rebellengruppen, Drogenbanden und organisierte Kriminalität, eine hemmungslose Aufrüstung weltweit in Billionenhöhe, eine Tendenz zu gewaltbereiter Konfliktlösung, rund 30 sogenannte begrenzte Kriege und neun größerer Auseinandersetzungen allein 2008 lassen die Bänder der Industrie heißlaufen.

Kein Wunder also, daß die Bundesregierung angesichts der heißen Debatten um florierende Rüstungsexporte in Krisengebiete beschwichtigend darauf verweist, daß der Anteil der genehmigten Exporte, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, überaus gering sei und mit 0,19 Prozent im Jahr 2011 kaum ins Gewicht falle.

Parallel dazu unterstreicht sie auch in ihrem neuesten Rüstungsexportbericht 2010, daß sie weiterhin bestrebt sei, ihre Rüstungsexportpolitik „restriktiv zu gestalten“, den Waffenexport am „Sicherheitsbedürfnis und außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren“ sowie durch dessen „Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt zu leisten“.

www.dpaq.de

Foto: Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A7+ auf dem Gelände von Krauss-Maffei Wegmann: Durch besondere Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit auf dem Weltmarkt begehrt

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