© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Zeitschriftenkritik: Psychologie heute
Das Leben aufräumen
Werner Olles

Die Sehnsucht nach einem weniger komplizierten Leben teilen viele Menschen. Doch sind einfachere, schlichtere und gemächlichere Lebensformen als Alternative zu den vorherrschenden politischen, ökonomischen und sozialen Zuständen offenbar nicht so leicht in die Tat umzusetzen. Tatsächlich hat so mancher „Ausstieg“ durchaus einen Beigeschmack von Scheinheiligkeit. Man muß ihn sich erstens leisten können, und zweitens muß auch die heutige Vereinfachungssehnsucht, die der Trendforscher Matthias Horx bereits in den Rang eines „gesellschaftlichen Megatrends“ erhoben hat, auf eine neue Sinngebung und neue Lebensinhalte zielen.

In der aktuellen Ausgabe (Januar 2012) der monatlich erscheinenden Zeitschrift Psychologie heute beschäftigen sich gleich mehrere Autoren mit dem Titelthema „Sinnvoller Leben – Die Kunst des Runterschaltens“. Dabei sind die meisten Ratschläge zur vereinfachten Lebensführung oft genug von ergreifender Schlichtheit. Und als Kontrastprogramm zur immer stärker zunehmenden Komplexität und Beschleunigung des Lebens jedenfalls nur bedingt geeignet. Hinweise auf die Hippies und Aussteiger der 1960er und 1970er Jahre helfen auch kaum weiter, denn irgendwann landete die Mehrheit dieser zaghaften Nachfahren der zivilisations- und kulturkritischen Wandervogel-Bewegung der 1920er Jahre doch wieder in komplizierten Verhältnissen. Es fehlte ihnen wohl die spirituelle Note, ohne die auch das bescheidenste und geradlinigste Leben und Handeln auf eine reine Modeerscheinung hinausläuft. Es genügt eben nicht, in nachgemachten Bauernhäuschen oder Schäferhütten der Landlust zu frönen und auf der aktuellen „Simplify-Welle“ zu reiten, sondern – dies sieht Chefredakteur Heiko Ernst völlig richtig – „das Leben als Ganzes muß aufgeräumt werden – um Platz zu schaffen für das Wesentliche“.

Die Hirnforschung gilt als die Wissenschaftsdisziplin überhaupt, wenn es darum geht, menschliche Gefühlsregungen zu erklären. Svenja Flaßpöhler riskiert in ihrem Beitrag „Wir sind mehr als unser Gehirn“ einen kritischen Blick auf die Neurowissenschaft. So schwärmte Sigmund Freud noch Anfang des 20. Jahrhunderts von der Faszination und Schönheit des Gehirns, doch verrate es nichts über das Seelenleben des Menschen. Fast hundert Jahre später steht jenes Organ, das der Begründer der Psychoanalyse für nichtssagend hielt, im Mittelpunkt des Interesses. Ob Depression oder sexuelle Ekstase, ob Angst oder Glück: Die Hirnforschung ermöglicht inzwischen durch nichtinvasive Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie erstaunlich gute Einblicke in das arbeitende Gehirn und macht so psychische Vorgänge, die früher im Verborgenen lagen, sichtbar.

Über Frauen und ihren Sinn für Humor lesen wir in einem weiteren Beitrag, daß die frühere Zurückhaltung des weiblichen Geschlechts in der Scherzkommunikation seltener wird. Zu verdanken haben wir diese Erkenntnis ebenfalls der Hirnforschung.

Kontakt: Beltz Verlag, Werderstr. 10, 69469 Weinheim. Das Einzelheft kostet 6,50 Euro, das Jahresabonnement 69,90 Euro.

www.psychologie-heute.de

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