© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

Vorerst gescheitert
Neuwahl im Saarland: Obwohl die Verhandlungen zwischen CDU und SPD abgebrochen wurden, läuft alles auf eine Große Koalition zu
Michael Martin

Im Saarland bahnt sich eine groteske Situation an: Voraussichtlich am 25. März werden Neuwahlen stattfinden und sowohl CDU als auch SPD haben bereits durchblicken lassen, daß ihnen eine Große Koalition am liebsten wäre. Daß es in den Sondierungsgesprächen zwischen den beiden Parteien zu keiner vorzeitigen Bildung einer solchen Regierung gekommen ist, lag offenbar nur an den unterschiedlichen Ansichten über die Dauer.

Die seit 2009 mit FDP und Grünen in einer Jamaika-Koalition regierende CDU unter Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer war vor einigen Wochen gescheitert, und die Union hätte liebend gerne mit einem Juniorpartner SPD bis zum regulären Wahltermin 2014 weitergemacht. Innerhalb der Sozialdemokraten, die nach den letzten Umfragen leicht vor der CDU lagen, gab es aber Vorbehalte, so daß Landeschef Heiko Maas nur eine Regierungsdauer bis Herbst 2013 für machbar hielt. Nach seinen Wünschen sollten dann vorgezogene Landtagswahlen parallel zur Bundestagswahl stattfinden. Dies liegt auch daran, daß die SPD an der Saar traditionell von einer hohen Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen profitiert hat.

Doch auch nachdem die Sondierungen vergangene Woche gescheitert waren, gingen die beiden „Großen“ erstaunlich nett miteinander um. Dieser Umgang war so auffällig, daß Linken-Ikone Oskar Lafontaine ätzte: „Man fragt sich ja fast, warum die Menschen überhaupt noch wählen sollen.“ Der Groll des ehemaligen Ministerpräsidenten ist verständlich. Seine Linkspartei, die 2009 spektakuläre 21 Prozent erzielte, hat seit Monaten mit internen Querelen und schwacher Außendarstellung zu kämpfen. Darüber hinaus lehnt die Linke die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse ab. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte deshalb zu der Möglichkeit von Rot-Rot an der Saar, der dortige Linken-Fraktionsvorsitzende und Ex-SPD-Chef Lafontaine lege „eine Leimspur“. „In Wirklichkeit ist die Linke weder gewillt noch fähig, im Saarland Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagte Oppermann der Frankfurter Rundschau. Sowohl CDU als auch SPD setzen daher auf eine Mobilisierungskampagne. Derjenige, der am Ende die meisten Stimmen hat, stellt den Ministerpräsidenten.

Meinungsforscher sind daher unsicher, wie das Rennen an der Saar ausgehen wird. „Inwieweit es die CDU trifft oder ob ihr zugute gehalten wird, daß sie die Koalition beendet hat, muß man abwarten. Die SPD muß sehen, wie die Entscheidung für Neuwahlen bei den eigenen Wählern ankommt. Bei der zuletzt sehr schwachen Linkspartei bleibt dagegen abzuwarten, ob sie mit ihrer Antihaltung gegen die Große Koalition punkten kann. Was aber die beiden großen Parteien angeht, wird es sicher knapp“, sagte Richard Hilmer, Chef von Infratest dimap. Der Politikwissenschaftler Adolf Kimmel sieht dagegen die Gefahr einer geringen Wahlbeteiligung, da die Koalition zwischen SPD und CDU trotz Neuwahlen bereits als beschlossen gilt.

Dies könnte eher den kleinen Parteien nutzen kommen. Die Grünen, die einen Teil ihrer Anhängerschaft durch „Jamaika“ verprellten, innerhalb des Dreierbündnis aber viel durchsetzen konnten, sehen sich gestärkt. Im Wahlkampf könnten sie sich nach alter FDP-Manier als Mehrbeitsbeschaffer anbieten, wobei es als unwahrscheinlich gilt, daß CDU und SPD in die Nähe der 40-Prozent-Marke kommen werden. Die heillos zerstrittene FDP wird um das nackte Überleben kämpfen. Derzeit ist vollkommen unklar, mit welchem Personal die Liberalen in den Wahlkampf ziehen wollen. Die Neuwahlen erwischten auch die Piratenpartei auf dem falschen Fuß. Nach Aussage des stellvertretenden Landesvorsitzenden Thomas Brück verfügt die Partei bisher nicht über kommunale Strukturen. Einen Einzug in den Landtag halten Meinungsforscher dennoch nicht für ausgeschlossen. Auch ein Überraschungserfolg der Familienpartei, einem regionalen Phänomen vor allem in den östlichen Landesteilen, scheint möglich. Vor einigen Monaten siegte Familien-Kandidat Hans Wagner bei der Oberbürgermeisterwahl in St. Ingbert gegen den Amtsinhaber der CDU.

Foto: CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, SPD-Chef Heiko Maas: „Warum sollen die Menschen überhaupt noch wählen?“

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