© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

Das Familienunternehmen Schlecker hat Insolvenz angemeldet
Angekündigter Niedergang
Markus Brandstetter

Schon bevor Schlecker am 23. Januar Plan­insolvenz in Ulm beantragte, war die Häme groß. Die Firma wurde als „Billig-Rambo“ denunziert, von „Totalschaden statt Turnaround“ war die Rede, und die Süddeutsche Zeitung wußte, daß Schlecker „Menschen und Image egal waren“. Die Gewerkschaft Verdi hingegen reagierte maßvoll und betonte die Rettung der 30.000 Arbeitsplätze. Wer sich jetzt über den Niedergang der Drogeriekette freut, der vergißt, daß das Unternehmen in Europa bislang fast 47.000 Menschen eine Stelle bot. Auch wenn die schlecht bezahlt war, war das für viele besser als gar kein Arbeitsplatz. Alleinerziehende oder Familien, die zwei Gehälter brauchen, konnten bei Schlecker Geld hinzuverdienen, meist am selben Ort und in Teilzeit.

Wer Anton Schlecker jetzt als Versager bezeichnet, irrt. Der gelernte Metzger war einst ein großer Unternehmer mit einer Vision. Allerdings hat er schwere Fehler begangen. Die reine Expansionsstrategie nach dem VW-Käfer-Prinzip (ein Produkt für alle) war nicht mehr zeitgemäß. Die Läden waren seit jeher winzig, schäbig und personell unterbesetzt. Bis vor 15 Jahren hat das einigermaßen funktioniert, weil eine Schmuddel-Drogerie in der Nähe besser war als gar keine. Aber als der Wettbewerb schärfer und die Menschen anspruchsvoller wurden, büßte das Konzept rasch seine Attraktivität ein. Als Schlecker noch Billigprodukte in staubige Regale stapeln ließ, boten Rossmann und dm bereits Luxusartikel in lichtdurchfluteten Großmärkten an. Während Schlecker sich mit Gewerkschaften und Betriebsräten anlegte, profilierten sich die anderen als sorgsame Arbeitgeber, die auf Mitverantwortung und Nachhaltigkeit setzten. Derweil der Schleckerclan sich abschottete, in 40 Jahren zwei Interviews gab und das Gründer-Ehepaar 1998 wegen Lohn-Betrugs verurteilt wurde, propagierte dm-Chef Götz Werner (JF 29/08) seine wohlklingende Theorie vom bedingungslosen Grundeinkommen, während Dirk Rossmann mit einem ganzen Bauchladen aus Vielfalt, Umweltaktivitäten und Nachhaltigkeit aufwartet.

Wie geht es weiter? Schlecker hat sich für das Insolvenzplanverfahren entschieden. Das war ein vernünftiger Schritt, denn damit kann die Familie das Unternehmen zusammen mit dem Insolvenzverwalter erst einmal fortführen. Aber keines der Probleme ist dadurch gelöst. Von den noch etwa 7.000 Märkten in Deutschland werden keine tausend überleben, und die werden eines Tages nicht mehr Schlecker gehören. Schlecker wird auf Jahre hinaus über weniger liquide Mittel verfügen, schlechtere Einkaufskonditionen, eine geringere Kundenbindung und weniger motivierte Mitarbeiter als seine Wettbewerber haben. Es wird Kredite teurer bezahlen und höher besichern müssen. Als Zukunftsvision kann Schlecker nur anbieten, irgendwann so zu werden, wie die anderen schon sind. So etwas hat noch selten funktioniert.

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