© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Lesereinspruch

Es fehlt etwas

Zu: „Die Wüstenreligion“ von Baal Müller (JF 4/12)

Der Autor argumentiert zunächst historisch und möchte die Aufgeklärtheit des heutigen Christentums gegenüber dem Islam mit seiner Adaption der antiken Philosophie begründen. Zwischen den Zeilen signalisiert er, daß dem Islam diese Einflüsse fehlen, als hätten muslimische Denker nie die Berührung mit solchem Gedankengut gesucht.

Die Argumentation gerät damit prompt aufs Glatteis. Im Hochmittelalter kam es nach Jahrhunderten der Pflege und Rezeption griechischer Philosophie im islamischen Kulturkreis zu Höchstleistungen in der Aristotelesrezeption. Ohne die ihr vorliegenden Aristoteles-Kommentare des Ibn-Ruschd hätte die christliche Hochscholastik mit ihrem Genius Thomas von Aquin vermutlich wenig innovative Auseinandersetzung mit augustinischem Gedankengut betrieben.

Interessant wäre daneben die Frage gewesen, die sich im Anschluß stellt: Wieso erweckt der zeitgenössische Islam den eindeutigen Eindruck, daß diese Leistungen der Vorfahren spurlos an ihm vorbeigegangen sind?

Laurenz Schneiders, Nusbaum

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