© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Die Wirtschaftsprognosen für 2012 scheinen viel zu optimistisch
Lob des Realismus
Markus Brandstetter

Der ifo-Geschäftsklimaindex ist vorige Woche erneut gestiegen, und Bundesbank und Regierung sind wie üblich optimistisch. „7.000 Punkte beim Dax bis Jahresende scheinen nicht zu ambitioniert“, stand kürzlich in einem der vielen Börsenbriefe. Aber verträgt sich das mit der Realität? Geht es auch in diesem Jahr aufwärts, werden Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Aktienkurse also immer fröhlich weiter steigen?

Glaube, Ignoranz und Hoffnung prägen im Moment die Diskussion, obwohl es in der Realität wenig Grund zu Optimismus gibt. Spanien verzeichnete zur Jahreswende 5,3 Millionen Arbeitslose, das ist eine Quote von fast 23 Prozent. Jeder zweite Spanier unter zwanzig ist arbeitslos. In Griechenland ist die Arbeitslosigkeit auf 18 Prozent geklettert, der Aktienindex der Athener Börse liegt bei einem Fünftel des Wertes von 2007. In Portugal und Griechenland wird das BIP in diesem Jahr um unfaßbare drei Prozent sinken, in Spanien und Italien, wo man sich noch mit positiven Prognosen schönrechnet, wird es ebenfalls mindestens um ein Prozent zurückgehen. Griechenland würde ohne Intervention der Europäischen Zentralbank (EZB) im März schon wieder am Ende sein, obwohl genau diese EZB seit Oktober 2011 für 40 Milliarden Euro wertlose griechische Staatsanleihen gekauft und die griechischen Banker sich im selben Zeitraum 116 Milliarden Euro von der EZB geliehen haben.

All das wird spürbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft, auf Aktienkurse und Euro haben. Das deutsche BIP wird in diesem Jahr real schrumpfen – nicht wachsen. Der Dax wird bis zum Ende der Dividendensaison im Juni steigen, danach abbröckeln und ab September deutlich an Wert verlieren. Der Euro wird gegenüber dem Dollar weiter an Wert verlieren. Die schwelende Euro-Krise und die kapitalen Probleme von Griechenland, Italien und Portugal könnten zum Jahresende sogar eine jahrelange Dauerkrise nach japanischem Vorbild einleiten.

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