© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Der Flaneur
Eierlauf am Morgen
Josef Gottfried

Keine Eier mehr da. Sie will aber welche zum Frühstück, ist ja Samstag. Keine fünf Minuten wach und schon habe ich einen Auftrag! Mit verquollenen Augen streife ich mir das Hemd von gestern über, es riecht immer noch nach Bierstube. Seltsam, wie wohl man sich abends dort beim Trinken fühlt, und wie ekelhaft der Geruch morgens dann ist.

So schlurfe ich zum Bäcker. An der Fußgängerampel begegne ich der fröhlichen Rentnerin, die ich nur vom Händeschütteln nach dem Gottesdienst kenne. Wohin ich denn ginge, will sie wissen. „Zum Bäcker“, sage ich. Sie wolle ja nur Post wegbringen, erklärt sie. Während des Gesprächs beginnt die Grünphase für Fußgänger.

Als wir uns dann lange die Hände schütteln, uns alles Gute wünschen und bis morgen früh verabschieden (wobei ich einen übertriebenen Diener mache), wird die Fußgängerampel wieder rot. Ich flitze trotzdem rüber und werde angehupt. Ich entschuldige mich per Handgruß, der Fahrer schüttelt nur mit dem Kopf und rauscht um die Kurve.

Ein paar Meter weiter nicke ich dann noch einem Rentner zu, der oft in der Bierstube sitzt. Er spricht wenig, ich weiß nur, daß er einen Kleingarten hat. Viel mehr wird er über mich auch nicht wissen, aber wir freuen uns über den freundlichen Tagesgruß. Dann komme ich an der Kneipe vorbei, der Wirt verstaut gerade seine Einkäufe, kurzer Gruß, Scherzworte, dann weiter.

Bei besagtem Bäcker war ich noch nicht so oft. Ich nehme mir die Zehnerpackung Eier aus der Kühlung, 25 Cent das Stück, dazu eine überregionale Tageszeitung für 50 Cent. Die Verkäuferin will drei Euro von mir haben. Ich: „Moment, die Eier kosten doch 25 Cent das Stück.“ Sie: „Ja, drei Euro bitte.“ Ich bleibe mißtrauisch, rechne es noch mal durch, erkenne meinen Fehler, entschuldige mich nuschelnd und zahle. War kein toller Auftritt.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen