© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Diebstahlschutz für Ernst Thälmann
Kriminalität: Angesichts steigender Rohstoffpreise verschwinden immer mehr Kunstwerke aus Metall aus der Öffentlichkeit
Paul Leonhard

Die ostsächsische Stadt Löbau hat eine Metallskulptur des Kommunistenführers Ernst Thälmann abmontieren und in ein Depot bringen lassen. Aber es waren keine politischen Einsichten, die die Stadtverwaltung zu diesem Schritt veranlaßt haben, sondern schlichtweg Angst. Thälmann war nicht mehr sicher, denn mit dem steigenden Wert von Bronze werden die Schrottdiebe, die nicht selten aus Osteuropa stammen, immer dreister.

Im Oktober vergangenen Jahres konnte gerade noch verhindert werden, daß die 100 Kilogramm schwere und 1,74 Meter große Bronzeplastik „Der kleine Trompeter“ vom Gelände der Kreismusikschule gestohlen wurde. Die Figur stand bereits abmontiert neben einem Autoanhänger, als eine Anwohnerin Verdacht schöpfte und die Polizei alarmierte. Im gleichen Monat verschwand in Hamburg eine am Alsterufer stehende bronzene Figur der Eurydike. Kriminelle hatten sie kurzerhand abgesägt. Auch Orpheus war dieses Schicksal zugedacht, allerdings blieb er den Hamburgern erhalten, da offenbar die Säge der Kriminellen nicht mehr funktionierte. Sorgfältig vorbereitet war dagegen der Diebstahl von 14 bronzenen Figuren in Regensburg.

Skulpturen wurden zu allen Zeiten gestohlen, aber meistens um als solche weiterverkauft zu werden. So hoffte man im Februar 2005 in Chemnitz noch, daß es sich bei der aus der Innenstadt verschwundenen Figur „Der Schwimmer“ – 100 Kilo schwer und 2,20 Meter lang – um einen Auftragsdiebstahl handelte und das Werk des Plauener Bildhauers Johannes Schulze in irgendeinem Garten eines Kunstliebhabers steht. Wenn jetzt Denkmale gestohlen werden, dann meist, um als Schrott verkauft und eingeschmolzen zu werden. Hintergrund sind die in den vergangenen Jahren enorm gestiegenen Rohstoffpreise. Vergeblich lobte daher der Bürgermeister des sächsischen Waldheim, Steffen Blech (CDU), eine Prämie von 300 Euro für Hinweise aus, die zur Wiederbeschaffung der im vergangenen Oktober verschwundenen, Pumpenbübchen genannten Brunnenfigur und der Kupferfensterbänke vom Rathaus führen würden. In Görlitz wurde nach dem Diebstahl einer spielende Kinder darstellenden Skulptur erregt diskutiert, die wertvollsten im öffentlichen Raum stehenden Bronzen abzubauen und in einem Museum einzulagern.

Zu diesem Schritt hat sich nun das benachbarte Löbau entschlossen. Die Einwohner wurden nicht nur vom Anblick Thälmanns und eines „Spanienkämpfers“ befreit, auch die Plastik „Liebespaar“ wurde von der Teichpromenade abgebaut und sichergestellt. Eine Maßnahme, die aus Sicht des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) ein „falsches Signal“ ist. Die Kommunalpolitik sei besser beraten, auf die Aufmerksamkeit der Bürger und die Aufklärungsarbeit der Polizei zu setzen.

Allerdings konnte auch die eigens gegründete Soko „Metall“ nicht ermitteln, wohin das Goethe-Denkmal aus Altenberg, eine betende Madonna in Hermsdorf oder eine 180 Jahre alte, dem Dichter Heinrich von Kleist gewidmete Bronzetafel aus Lichtenstein gebracht wurden. Die Denkmale werden wohl ebenso eingeschmolzen worden sein wie die 1,70 Meter großen Bronzefiguren aus dem nordsächsischen Colditz oder ein Grabengel vom Katholischen Friedhof Dresden-Friedrichstadt. In Berbisdorf, einem Ortsteil von Radeburg, ließ der Bauhofchef im Januar vorsichtshalber eine Bronzebüste des einstigen DDR-Staatsdichters Johannes R. Becher abmontieren.

Wie dem Diebstahl von Bronzeplastiken Einhalt geboten werden kann, zeigt die dänische Kommune Gribskov. In der nördlich von Kopenhagen gelegenen Stadt wurden die in öffentlichen Anlagen stehenden, wichtigsten Skulpturen nicht nur mit Alarmanlagen, sondern auch mit GPS ausgestattet, berichtete das Kunstmagazin art. So könnte die Polizei mittels Satellitennavigation verfolgen, wohin das gestohlene Gut transportiert wurde. Nach Angaben von Henrik Olsen, dem Sicherheitschef von Gribskov, belaufen sich die Kosten auf etwas mehr als 1.000 Euro pro Kunstwerk. Eine Investition, die allemal günstiger ist, als ein Neuguß nach einem Diebstahl.

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