© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Angela Merkel – Euro-Bittstellerin bei der Wirtschaftssupermacht
Verzettelt in China
Michael Paulwitz

Mit Koffern voller Wünsche ist Angela Merkel nach China gereist, mit einem Sack voll freundlicher Worte und unverbindlicher Zusagen ist sie wieder nach Hause gekommen. Deutschland hat zwar Gewicht in China, als Handelspartner und Technologielieferant – aber die Kanzlerin hat sich verzettelt: Über Euro-Rettung, Syrien-Verurteilung, Iran-Embargo und Menschenrechts-Lektionen sind deutsche Interessen auf der Agenda nach hinten gerutscht.

Oder soll es eine gute Nachricht sein, daß China sich jetzt mit einem Teil seiner Drei-Billionen-Dollar-Devisenreserven an den Euro-„Rettungsfonds“ EFSF und ESM beteiligen will? Zwar raten auch im Reich der Mitte vernünftige Stimmen, den erarbeiteten Schatz lieber in Realien anzulegen und in die Entwicklung des eigenen Landes zu stecken, statt damit westliche Papiergeldblasen weiter aufzupusten. Aber chinesische KP-Bosse sind Kapitalisten genug, um großzügige Euro-Rettungszinsen gern mitzunehmen, solange dahinter die Bonität Deutschlands steht, dessen eigene Anleihen viel mickriger rentieren; und sie genießen das gute Gefühl, mal selbst von oben herab den liederlichen Europäern Lektionen über solide Staatsfinanzen zu erteilen.

In deutschen Regierungskreisen träumt man sich zusammen, China werde den Euro schon deshalb stützen, weil eine „starke zweite Weltwährung“ in Pekings ureigenem Interesse liege. Vielleicht sollten die Merkel-Berater mal eine chinesische Zeitung aufschlagen: Da könnten sie Karikaturen sehen von einem geprügelten, pflasterübersäten und geknickten Euro-Männchen, das mit flehendem Blick an Muttis Hand zum Betteln an die Pekinger Palastpforte geführt wird. Jedes chinesische Euro-Engagement ist politisch, und die Rechnung dafür kommt so sicher wie der Gong im Tempel.

Um der Kanzlerin klarzumachen, daß sie als Euro-Bittstellerin am kürzeren Hebel sitzt, ließ man sie mit ihren weiteren Anliegen eiskalt abblitzen: Kein Treffen mit Dissidenten, kein Iran-Embargo – warum soll man Amerika und Israel zuliebe auf gute Geschäfte verzichten, wenn die Deutschen das für sich wollen, bitte sehr –, und die Syrien-Resolution ließ Peking platzen, als Merkel noch der Jetlag vom Heimflug in den Knochen steckte, mit dem süffisanten Hinweis auf das Chaos, das der Westen zuletzt in Libyen angerichtet habe.

Und die altbekannten Gravamina der deutschen Wirtschaft, die Benachteiligung gegenüber chinesischen Unternehmen, der Schutz des geistigen Eigentums? Die sprach Kanzlerin Merkel irgendwann auch noch an und erhielt die Auskunft, es sei alles bestens, Diskriminierung gebe es gar nicht, und Patente werde man künftig schon deshalb besser schützen, weil man ja selbst immer mehr erfinde. Man hat’s eben nicht leicht, wenn man mit Klotz am Bein und Bleiweste zum globalen Wettlauf antritt.

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