© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

DVD: Ausgestoßen
Innerer Zerfall
Werner Olles

Eine irische Widerstandsgruppe plant einen Überfall auf das Lohnbüro einer Fabrik in Belfast. Die Tat soll die Organisation mit den notwendigen finanziellen Mitteln versorgen, um den Kampf gegen die britische Besatzungsmacht weiterzuführen. Im Haus der jungen Kathleen Sullivan (Kathleen Ryan) und ihrer Mutter und Großmutter hecken Johnny McQueen (James Mason), der gerade aus dem Gefängnis geflüchtete örtliche Anführer der IRA, und seine Kameraden den Plan aus. Kathleen liebt Johnny, doch sie weiß auch, daß sie ihn nicht von dem gefährlichen Vorhaben abbringen kann. Tatsächlich sieht es zunächst danach aus, daß der Überfall gelingt, aber im letzten Augenblick gerät Johnny in ein Handgemenge mit einem Wachmann, den er in Notwehr erschießt. Doch er ist selbst schwer verwundet, und bei der waghalsigen Fahrt auf dem Fußbrett des Fluchtwagens stürzt er auf die Straße.

Von seinen Kameraden gesucht, die ihn in Sicherheit bringen wollen, und einem großen Polizeiaufgebot gejagt, schleppt sich der Schwerverletzte durch die nächtlichen, verschneiten Straßen Belfasts. Während seine Kameraden durch Verrat den Kugeln der Polizei zum Opfer fallen, begegnet Johnny nach und nach eigentümlichen Menschen, wie dem verrückten Maler Lukey (Robert Newton), dem alten Shell (F.J. McCormick) und dem gutmütigen Pater Tom (W.G. Fay), der mit Kathleens Hilfe versucht, ihn auf einem Schiff außer Landes zu bringen. Doch es ist zu spät. Vor Dock 7, dem Tor in die Freiheit, stellt ihn schließlich die Polizei. Kathleen, die zuerst schießt, stirbt gemeinsam mit ihrem Geliebten im Kugelhagel.

Carol Reeds („Der dritte Mann“) „Ausgestoßen“ (Odd Man Out, 1946/47) gilt zu Recht bis heute als Klassiker des Film Noir. 1948 erhielt er eine Oscar-Nominierung und wurde als bester britischer Film des Jahres mit dem erstmals vergebenen British Film Academy Award ausgezeichnet. Vor allem ist er jedoch ein Film über die Relativität des Daseins und die Sinnlosigkeit des Tötens. Johnny ist zum Mord gezwungen worden, aber im Grunde hat er sich dadurch selbst getötet, hat seinen Lebensnerv abgeschnitten: die Verbindung mit den Menschen.

So folgt die Handlung des Films dem inneren Zerfall eines Mannes, der sich gegen das Leben vergangen hat. Die Menschen, die Johnny in den letzten Stunden seiner Flucht trifft, sind selbst Außenseiter wie er, die dem flüchtigen Freiheitskämpfer wider Willen ihr Inneres verraten. Doch auch die Güte des Priesters und die selbstlose Liebe einer Frau, für die der Verlorene ebensoviel wert ist, wie jeder andere Mensch, vermögen am Ende nicht mehr Johnnys Tat zu heilen.

Reeds kluge dramaturgische Konzeption wird durch die hervorragende Kameraarbeit von Robert Krasker, die geniale Schnittechnik von Fergus McDonell und einen überzeugenden Hauptdarsteller – James Mason in seiner wohl besten Rolle – dicht und packend umgesetzt.

Als Extras bietet die bei Koch Media in der Reihe Film Noir erschienene DVD ein Beiheft und eine Bildergalerie.

DVD: Ausgestoßen. Koch Media 2011, Laufzeit etwa 111 Minuten

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