© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Alte Musik ist nicht alt
Konzert im Germanischen Nationalmuseum / Rundfunk sendet im März
Petra Knoll

Die Kunst des Barocks steht für prunkvolle Kirchen und Paläste, für üppige Verzierungen, für viel Gold und ausschweifende Wandmalereien. Und wie sieht es in der Musik aus? Mit ihrem Programm „Eine barocke Alpenüberquerung“ brillierte das Ensemble „Ombra e Luce“ (Schatten und Licht) unlängst im nüchternen Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums.

Die Musiker Georg Kallweit und Björn Colell präsentierten eine Musik, die sich zwischen Besinnlichkeit und Wildheit bewegte. Die Arbeitsteilung im Duo ist offensichtlich. Der Violinist Kallweit, Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin, ist der Beschleuniger, ist der Wilde. Colell dagegen verströmt beruhigende Klänge, mal auf der Barockgitarre, dann auf der Theorbe. Grob gesprochen ist die Theorbe eine riesige Gitarre mit einem birnenförmigen Holzkasten und einem langen Hals. Dieses 180 Zentimeter hohe Zupfinstrument erzeugt warme, dunkle Basstöne – gerade richtig nach einer Einkaufsrallye durch die Nürnberger Innenstadt.

Ein empfindliches Instrument sei die Theorbe, erzählt Colell. Immer wieder muß sich der fast zwei Meter große Berliner strecken, um die 14 Saiten zu stimmen. Ein kleiner Musiker bräuchte wahrscheinlich eine kleine Stehleiter. Theorben aus dem 17. Jahrhundert gebe es nur noch im Museum, erzählt der 48jährige. Das Holz sei zu empfindlich. Schön spielen könne man auf einer Theorbe oft nur dreißig Jahre lang.

Colell zeigt sich auch als Meister auf einer Barockgitarre, einem Modell nach Plänen von Stradivari. Sauber und transparent spielt er kleine Meditationen, komponiert zwischen 1620 und 1665. Alles von italienischen Komponisten wie Uccellini, Corbetta oder Ferrari, die an den Fürstenhöfen südlich und nördlich der Alpen weilten, auch in Innsbruck oder Wien. Dazu ein Österrreicher, der in Nürnberg komponierte: Johann Heinrich Schmelzer.

Einen lebhaften Kontrast erzeugt der Geiger Kallweit. Als er ein musikalisches Uhrwerk nachzeichnet, spielt er so abrupt und präzise, daß man denkt, eine Uhr tickt wirklich. Er simuliert den Glockenschlag nachts um eins, zwei, drei und vier Uhr. Dazu bewegt er seinen Körper wie Charlie Chaplin. Er hat das Zeug zum Teufelsgeiger.

Der Bayerische Rundfunk sendet das Konzert am 8. März um 19.05 Uhr auf BR Klassik.

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