© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Leserbriefe

Zu: „Stachel des Zweifels“ von Thorsten Hinz, JF 7/12

Pflichtlektüre Norman Davies

Der britische Historiker Norman Davies schreibt in seinem Buch „Die große Katastrophe: Europa im Krieg 1939–1945“ folgendes: „Und auch die Westmächte sollten, was die zahlreichen Anschuldigungen gegen sie selbst betrifft, nicht zu selbstgefällig sein. Die strategische Bomberoffensive, die vielleicht eine halbe Million Zivilisten tötete, ist seit langem Gegenstand für Vorwürfe ‘übertriebener Gewalt’.Wenn der deutsche Luftangriff auf Coventry, der 380 Menschen tötete, als Verbrechen eingestuft wird, ist schwer einzusehen, warum die britischen Luftangriffe auf Köln, Hamburg, Kassel, Berlin und Dresden, nicht in die gleiche Kategorie eingestuft werden sollen. (...) Jeder, der die Wahrheit in diesem Rätsel sucht, muß sich selbst mit dem Zitat von ‘Bomber-Harris’ auseinandersetzen: ‘Wir werden eine deutsche Stadt nach der anderen angreifen’, prahlte er, ‘als würden wir Zähne ziehen.’“ Als Theologe empfehle ich allen, die Dresden und andere Kriegsereignisse nach dem Motto „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ beurteilen, und dabei gerade den evangelischen Bischöfen, das Lesen dieses Buches. Es sollte zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen werden!

Prof. em. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann, Bohmte

 

 

Zu: „Erfolg nur ohne Kredite“ von Bernd-Thomas Ramb, JF 7/12

Merkozy – Synonym für Versagen

Merkozy wird als Synonym für das totale Versagen zweier Politiker in der größten Wirtschaftskrise Europas in die Geschichte eingehen. Anstatt Griechenland in eine gelenkte Insolvenz zu überführen, wird stur an dem Verbleib Griechenlands im Euro-Raum festgehalten, wohl um eigene gravierende Fehler nicht zugeben zu müssen. Wenn man jetzt auch noch beabsichtigt, die eingehenden griechischen Steuergelder, die erheblich geringer sind als die Staatausgaben, auf einem Sperrkonto zu blockieren, werden damit nur verantwortungslos spekulierende Banken befriedigt, ohne daß dem griechischen Volk geholfen wird. Dieser Vorgang ist ein Verbrechen am griechischen Volk.

Herbert Gaiser, München

 

 

Zu: „Der nasse Tod kam im Schlaf“ von Marcus Schmidt, JF 7/12

Auf dem Dach erfroren

In der Nacht der Sturmflut fuhren einige Polizeiwagen durch die Gartenkolonie, um die schlafenden Laubenpieper zu wecken. Im Schlaf hörte ich das Rauschen der Wassermassen im Hofbereich. Um etwa 1 Uhr sah ich vom Flurfenster in der Dunkelheit nur brausende Fluten. Erst am Nachmittag des 17. Februar sahen wir die ersten Rettungsboote. Dennoch war mir seinerzeit nicht bewußt, daß es in Wilhelmsburg über 200 Tote gab. Eine Bekannte meiner Mutter, in der Holzhausreihe wohnend, war mit ihrer Tochter auf das Dach geflüchtet, wo die Tochter in der Nacht schließlich erfror. Meine Großeltern hatten Glück, sie wurden am dritten Tag von einem Rettungsboot aus ihrem Wohnhaus im Grund geholt und wohnten dann bei uns.

Raimund Winckler, Hamburg-Wilhelmsburg

 

 

Zu: „Der neue Totalitarismus“ von Michael Paulwitz, JF 6/12

Signifikantes Beispiel in Lübeck

Michael Paulwitz fordert, der Staat solle Straftäter verfolgen, nicht aber abweichende Meinungen sanktionieren. Letzteres geschieht aber, wie auch Paulwitz feststellt, immer häufiger. Ein aktuelles und signifikantes Beispiel hierzu ist das in Schleswig-Holstein von einigen Landespolitikern geforderte Verbot einer von der NPD angekündigten Demonstration zum Jahrestag des britischen Luftangriffs auf die schöne Hansestadt Lübeck, die am 31. März 1942 zum großen Teil zerstört wurde.

Während Anke Spoorendonk (Südschleswigscher Wählerverband SSW) mit Blick auf den Lübecker Magistrat immerhin meinte, auch Verwaltungen müßten sich an geltendes Recht halten, und Ralf Stegner (SPD) aus berechtigter Angst vor einer möglichen gerichtlichen Niederlage der Verbotsbefürworter und -eiferer warnte, man müsse Verbote unterlassen, verteidigten ausgerechnet der Innen - und Verfassungsminister (!) Schlie (CDU) und andere ihre Aufforderung an die Stadt Lübeck, die Demonstration zu verbieten. Die Neonazis, so Schlie, hätten Lübeck zum Ziel ihrer menschenverachtenden Propaganda erkoren und instrumentalisierten die Opfer des Krieges für ihre rechtsradikalen Zwecke.

Ist das aber ein Grund, die verfassungsmäßigen Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5 und 8 GG) sozusagen per Ordre de Mufti auszusetzen? Diese Rechte stehen doch nicht umsonst als Grundrechte an erster Stelle unserer Verfassung. Im Grundgesetz heißt es doch ausdrücklich, „jeder“ oder „alle Deutschen“ hätten diese Rechte! Und ist es schließlich nicht so, daß der verheerende Terrorangriff der Briten auf die Kultur- und Thomas-Mann-Stadt Lübeck, die im Gegensatz zu Coventry keinerlei nennenswerte Rüstungsindustrie besaß, viel eher menschenverachtend war? An diesem und vielen anderen Beispielen wird deutlich, wie weit der neue Totalitarismus bei uns schon fortgeschritten ist. Dem politischen Establishment sei deshalb ins Stammbuch geschrieben: Nicht nur die Menschenwürde, sondern auch die Grundrechte sind unantastbar!

Henning Burgwald, Kappeln

 

 

Zur Meldung: „Brandenburg senkt Wahlrecht auf 16 Jahre“, JF 6/12

Instrumentalisierte Jugend

Zum Zwecke der eigenen Machtsicherung schrecken unsere Gesinnungshüter nicht vor noch so widersinnigen Neuerungen zurück. So wird unsere Jugend, die aufgrund ihrer noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und mangelnder Weitsicht ihres Tuns und Handelns nur nach dem Jugendstrafrecht haftbar gemacht wird, instrumentalisiert. In nahezu sämtlichen öffentlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen und in den Schulen dominiert eine linksgerichtete Indoktrination. Wirklich offene Diskussionen zu den drängendsten Fragen der Zeit finden dort nicht statt. So kann das geänderte Wahlrecht nur einen Zweck verfolgen, den eigenen Machterhalt. Weiterhin stellt die Schule auch sicher, daß die Mehrheit der Schüler auch brav von seinem Wahlrecht Gebrauch macht. Die Änderung des Wahlrechts hat sich offensichtlich aus politischer Sicht auch gerechnet, denn würde die Jugend rechts wählen, wäre diese Idee ganz schnell wieder vom Tisch. So wird hier auf ganz perfide Art die Jugend wieder politisch instrumentalisiert. Das alles ist so perfide, daß mir persönlich jegliches Vertrauen in den Staat verlorengegangen ist. Und wenn doch die Jungwähler ausbleiben, dann darf auch endlich jeder Neubürger mitwählen.

Jürgen Nickel, Berlin

 

 

Zum Lesereinspruch: „Es fehlt etwas“ von Laurenz Schneiders, JF 6/12

Unerwünschte Freigeister

Gegen den Aufsatz von Baal Müller wird von Herrn Schneiders auf die philosophischen „Höchstleistungen“ im islamischen Kulturkreis verwiesen, wobei gerade die Leistungen des Ibn-Ruschd der christlichen Hochscholastik vor- und zugearbeitet hätten. Doch kann man die Leistungen des Ibn Ruschd dem Islam zuschlagen, wenn man bedenkt, daß die Imame solange gegen ihn hetzten, bis ihm schließlich die Rechtgläubigkeit abgesprochen, seine Bücher verbrannt und seine Lehrtätigkeit verboten wurden? Kurz darauf verstarb Ibn Ruschd.

Wie Norbert G. Pressburg in seinem hochinteressanten Buch „Goodbye Mohammed – Wie der Islam wirklich entstand“ (2009; JF 26/10) herausarbeitet, gehen die großartigen Beiträge zu Wissenschaft und Philosophie in dieser oft beschworenen „Blüte des Islam“ durchweg auf Freigeister zurück, die oftmals Schwierigkeiten mit dem islamischen Klerus hatten. Wer, wie etwa Rhazes, Sokrates als seinen „Imam“ betrachtete, wurde vom islamischen Klerus verfolgt. Nachdem die geistig so fruchtbaren Freigeister verstummt waren, drehte sich das islamische Denken nur noch im Kreis.

Richard Müller, Mannheim

 

Averroës vs. Thomas von Aquin

Laurenz Schneiders Einspruch, wonach die christliche Hochschulscholastik sich nicht zuletzt der Aristoteles-Kommentare des Ibn Ruschd verdanke, ist unbedingt durch eine Aussage des Historikers Karl-Heinz Kuhlmann (JF 16/11) zu relativieren. Kuhlmann zufolge ist der Umstand, daß „der vielgerühmte, 1126 in Córdoba geborene Philosoph und Aristoteles-Kommentator Ibn Ruschd (Averroës) auf arabisch geschrieben hat“, nicht einer Tradition arabisch-islamischer Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie zuzurechnen! Vielmehr stamme die philosophische Tradition wie auch die Baukunst aus dem syro-aramäisch-persischen Raum. Averroës’ Schriften, so Kuhlmann, „lebten und wirkten nur fort dank ihrer lateinisch-christlichen Rezeption.“

Auch der Philosoph Rémi Brague, Professor der Sorbonne und der Ludwig-Maximilians-Universität München, erhebt Einwände gegen die idealisierende Umdeutung von Averroës als einem Vorläufer der Scholastik: „Bei Averroës geht es um eine juristische Konsultation; die Philosophie wird vor das Tribunal des islamischen Gesetzes gerufen (...). Thomas v. Aquin macht zu Anfang der Theologischen Summe das genaue Gegenteil. Er ruft die Theologie vor das Tribunal der Vernunft (...). Die beiden Denkweisen sind diametral entgegengesetzt; sie in einen Korb zu werfen, heißt sein Unwissen unter Beweis zu stellen.“

Dr. Steffen Hein, Bad Aibling

 

 

Zu: „‘Gezielte Verleumdungen’“ von Curd-Torsten Weick, JF 6/12

„Staatsfeindliche Hetze“ à la DDR

Der „Relativierung des Holocaust“ scheint in Deutschland und Österreich zunehmend eine ähnliche Bedeutung zuzukommen wie in der DDR die „staatsfeindlichen Hetze.“ Bei den Politikern, die darüber befinden wollen, welche Meinungen geäußert werden dürfen, scheint mir der demokratische Gedanke ähnlich stark ausgeprägt wie am Versailler Hofe zur Zeit des Sonnenkönigs.

Es ist eine politische Klasse, deren erklärtes Ziel ein europäischer Superstaat ist, weshalb sie direkte Demokratie und Volksabstimmungen fürchten muß wie der Teufel das Weihwasser. Schwer erträglich ist da eigentlich nur eines: daß diese Gesinnungswächter sich selbst als vorbildliche Demokraten bezeichnen und noch dazu die Dreistigkeit besitzen, oberlehrerhaft mit dem Finger auf andere (Ungarn!) zu zeigen.

Stephan Zankl, München

 

 

Zu: „‘Das Verbot aufheben!’“, Im Gespräch mit Robert Spaemann, JF 5/12

Politisch-korrekter Gehorsam

Nun fallen also bereits Bischöfe der katholischen Kirche in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den vermeintlich politisch Korrekten ihren wenigen noch verbliebenen aufrechten Streitern für die Besinnung auf christliche Werte und Traditionen im säkularisierten Deutschland in den Rücken. Schade!

Christoph König, Gelsenkirchen

 

 

Zu: „Bis das Licht ausgeht“ von Konrad Kleinknecht, JF 5/12

Phantasterei Stromspeicherung

Dieser sehr informative Beitrag sei zu zwei Stichworten ergänzt. Erstens: Dünnschichtsolarzellen. Die hierfür benötigten Substanzen Cadmium und Tellur sind hochgiftig. Cadmium ist deshalb in der EU verboten, aber Teile der Solarbranche haben es durchgesetzt, daß das Verbot für Solarzellen nicht gilt. Zweitens: Stromspeicherung. Tatsächlich ist diese noch nicht über das Stadium von Wunschdenken und Phantastereien hinausgekommen. Für die Realität eines dichtbesiedelten Industrielandes geeignete Speicher sind noch lange nicht in Sicht. Auch Pumpspeicherwerke sind nicht geeignet. Beispielhaft hierfür ist das PSW Goldisthal (Thüringen), mit einer Wassermenge von 30,5 Millionen Kubikmetern und einer Fallhöhe von 330 Metern eines der größten in Europa. Es hat eine Leistung von 1 GW, die Speicherkapazität beträgt knapp 8,5 GWh – das heißt, nach spätestens 8,5 Stunden ist der Speicher leer und der Strom alle. Ein normales Kraftwerk bringt die gleiche Leistung 24 Stunden täglich.

Heinz Schiller, Ulm

 

Alternatives Pilotprojekt Biblis

Zu dem hervorragenden Artikel sei folgende Ergänzung gestattet: Müßte nicht intensiv darüber nachgedacht werden, daß Biblis – im hessischen Teil des Ober­rheingrabens – über einer der größten Energiereserven Deutschlands liegt? Die Tiefen-Geothermie im Kreis Groß Gerau wird zur Zeit intensiv erforscht. Das Regierungspräsidium in Darmstadt hat die bergbaurechtlichen Genehmigungen für eine Anzahl von Explorationsbohrungen erteilt. In Biblis ist die Generatorentechnik vorhanden; nur der Wärmelieferant wäre auszutauschen: von Atomenergie auf Tiefengeothermie. Ist das nicht die großartige Chance für Biblis? Es müßten lediglich die Kosten für das Erschließen der Hitze aus den relevanten Erdschichten in die Kalkulation einfließen. Biblis könnte das Pilotprojekt für eine neue und wirklich zukunftsweisende Technologie der umweltfreundlichen Energieversorgung sein: auf einer schier unerschöpflichen Energieressource und zentral gelegen. Neue Leitungstrassen von Windparks im Norden wären ebensowenig nötig wie teure Puffer- oder Speichertechnologien für wind- und/oder sonnenarme Phasen.

Prof. Ludwig-Wilhelm Schleiter, Frankfurt am Main

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