© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Österreich: Filz in Politik, Wirtschaft und Medien
Die korrupte Republik
Martin Graf

Österreich steht derzeit im Bann seines politischen Innenlebens. Seit Jahresbeginn arbeitet ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß die Korruptionsskandale der letzten zehn Jahre auf. An Enthüllungen mangelt es dabei nicht.

Erstes Opfer war die rechtsliberale Oppositionspartei BZÖ, die nach ihrer durch Jörg Haider betriebenen Abspaltung von der FPÖ von der staatsnahen Telekom mehr als eine Million Euro für den Wahlkampf 2006 erhalten haben soll. Die Telekom freilich steht seit Anbeginn im politischen Einflußbereich der bürgerlichen Regierungspartei ÖVP, die nun nach dem Bekanntwerden interner Mails ebenfalls arg in Bedrängnis geraten ist.

Bisher ist erst ein kleiner Ausschnitt des gesamten Untersuchungsgegenstandes aufgearbeitet, doch die Folgen sind schon jetzt absehbar. Kaum jemand glaubt, daß die Regierungskoalition in Wien aus Sozialdemokraten und Volkspartei die volle Aufarbeitung der Skandale durchstehen wird. Die Notbremse sind Neuwahlen, denn damit wäre der Untersuchungsausschuß automatisch beendet. Die Begeisterung für die Enthüllungen könnte nicht nur in der Politik ein jähes Ende finden, sondern auch bei den Medien. Meinungskauf durch Inserate aus den Ministerien oder aus staatsnahen Betrieben auf Geheiß von Politikern stehen ebenfalls noch auf der Untersuchungsagenda.

Zentrale Figur ist der aktuelle Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Die so geschaffene Abhängigkeit der Medien vom Staatsgeld führt bis heute dazu, daß viele Journalisten die Verantwortung für die systemimmanente Korruption kaum bei den beiden einst staatstragenden Großparteien suchen.

Doch sie waren es, die das politische System Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg konstruiert und alle entscheidenden Institutionen ihren parteipolitischen Einflußsphären unterworfen haben. Über diese Kanäle verteilt der Staat pro Jahr doppelt soviel Geld an Subventionen wie die EU-Staaten im Schnitt: 6,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts oder rund 18,5 Milliarden Euro.

Damit wurde Österreich zur korrupten Republik gemacht, abhängig vom Gutdünken der Steuergeld verteilenden Fördergeber. Bis heute fehlt bei den Regierenden jede Bereitschaft, diesen Sumpf trockenzulegen. Ein Christian Wulff müßte in Österreich ganz sicher nicht zurücktreten.

 

Dr. Martin Graf ist FPÖ-Politiker und seit 2008 Dritter Präsident des österreichischen Nationalrats.

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