© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Lockerungsübungen
Prävention vor Aufständen
Karl Heinzen

Jede Regierung, ob bloß demokratisch camoufliert oder bis zu einem gewissen Grade unberechenbaren öffentlichen Zustimmungsmechanismen ausgeliefert, muß zu den Süchten ihrer Bevölkerung eine ambivalente Haltung einnehmen. Einerseits droht der Drogenkonsum, wenn er zum Mißbrauch ausartet, die Arbeitsdisziplin der Bürger, die zu gewährleisten eine der vornehmsten Staatsaufgaben ist, zu beschädigen und damit Wachstum und Ertragskraft der Wirtschaft zu unterminieren. Dem Gesundheitswesen werden dadurch Kosten aufgebürdet, die nicht gänzlich auf die Arbeitnehmer abzuwälzen sind.

Andererseits können Rauschmittel in Krisenzeiten eine politisch stabilisierende Funktion übernehmen, da sie die Menschen zur Flucht aus einem unwirtlichen Alltag einladen und damit von einer Rebellion abhalten. Im Kostenvergleich zwischen herkömmlicher Aufstandsprävention durch Sicherheitskräfte und einer liberalen Drogenpolitik schneidet letztere deutlich günstiger ab, zudem läßt sie sich unauffälliger organisieren.

Die soeben verkündete Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung trägt dieser Ambivalenz Rechnung. Sie benennt die Suchtgefahren, will sich die Suchtchancen aber nicht durch populistischen Aktivismus unnötig verbauen. Entschlossen zeigt sich die Politik einzig in dem Bestreben, eine intensive Internetnutzung als der Drogenabhängigkeit vergleichbares Verhalten zu stigmatisieren. Ihr Motiv ist hier jedoch die Sicherheitsvorsorge. Anders als traditionelle Drogen birgt das Internet nämlich die Gefahr, daß Intensivnutzer eben nicht in politische Apathie verfallen, sondern unkontrolliert Informationen aufnehmen und sich unbemerkt mit anderen austauschen oder gar zu gemeinsamem Tun verabreden.

Nahezu alle Aufstände der jüngsten Zeit speisten sich aus der revolutionären Onlinemobilisierung. Eine solche kann aber nicht allein Despotien, sondern auch demokratisch legitimierte Ordnungen diskreditieren und zu Fall bringen. Unser Staat muß daher alle Register ziehen, um seine Hoheitsgewalt auch im Cyberraum durchzusetzen. Intensivnutzer des Internets als Süchtige zu betrachten, ist dazu ein hilfreiches Instrument. Es ist viel erreicht, wenn potentielle Aufrührer im Bedarfsfall im Interesse ihrer Gesundheit zu einer Entziehungskur verpflichtet werden können.

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