© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Frisch gepresst

Reichskünstler. Die immer noch die Gemüter erregende „Große Deutsche Kunstausstellung“, die in München von 1937 bis 1944 zu sehen war, blieb keineswegs auf einige Lieblinge des Kunstenthusiasten und Diktators Adolf Hitler beschränkt. Gegen diesen ahistorischen Reduktionismus, dem auch die meisten Kunsthistoriker zuneigen, wappnet jetzt das zweibändige Künstlerverzeichnis von Robert Thoms, das Aussteller – Maler, Grafiker, Bildhauer – aus dem gesamten Reichsgebiet, vom ostpreußischen Goldap bis ins untersteierische Marburg, erfaßt. Von diesen Künstlerkohorten werden die in einer monotonen Endlosschleife immer wieder präsentierten Breker, Padua & Willrich fast an die Wand gedrückt. In Thoms’ Listen findet sich übrigens eine erkleckliche Zahl von Künstlern, die dem NS-Regime und seiner Kunstpolitik denkbar fern standen. Verwiesen sei nur auf die Bildhauerin und Despiau- und Marcks-Schülerin Dagmar zu Dohna, die viele ihrer engsten Freunde nach dem 20. Juli 1944 verlor. (jr)

Robert Thoms: Große Deutsche Kunstausstellung München 1937–1944, Band I und II. Neuhaus Verlag, Berlin 2011, zusammen 301 Seiten, Abbildungen, zusammen 89,80 Euro

 

20. Jahrhundert. Es sind die Erinnerungen aus der Kindheit, die den Menschen prägen. Selbst im hohen Alter, wenn vieles andere längst vergessen ist. Die Kindheit von Paul Brandt war geprägt von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, der alliierten Besetzung und der sich ankündigenden Teilung Deutschlands. Der Autor will, wie es im Titel heißt, zum „Nachdenken über ein vergangenes Jahrhundert“ anregen und nutzt dafür eine Mischung aus autobiographischen Erzählungen der beiden Protagonisten Paul und Sigtrud sowie zahlreichen nicht immer ganz glücklich eingewobenen historischen Exkursen. Darin beschäftigt sich Brandt mit Preußen, der Weimarer Republik, dem Bombenterror auf deutsche Städte oder mit der Blockade der geteilten Hauptstadt. Nach Meinung des Autors dominiert zu diesen Themen ein verzerrtes, aus Gründen einer nationalen Neurose konstruiertes Geschichtsbild. Die eigentliche Lebensgeschichte der Hauptfiguren gerät dabei zuweilen etwas zu sehr in den Hintergrund, atmet jedoch mit jeder Zeile die Besonderheiten der Generation, die in den 40er und 50er Jahren aufgewachsen ist. (ho)

Paul Brandt: Nachdenken über ein vergangenes Jahrhundert. Edition Winterwork, Borsdorf 2011, broschiert, 480 Seiten, 18,95 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

26. Februar 1952: Der britische Premierminister Winston Churchill verkündet, daß Großbritannien nach den USA und der Sowjetunion nun eigene Atombomben besitze. Eine erste Testexplosion wird für den Herbst vor der Küste Australiens angekündigt.

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