© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Von Homer bis Hobsbawm
Historikerschau mit marxistischem Impuls
Lydia Conrad

Sicher ist es keine schlechte Idee, einmal die Biographien der wichtigsten Historiker aus vergangenen Zeiten zusammenzustellen. Und eigentlich sollte bei einem derart kompilatorischen Unterfangen auch nicht allzuviel schiefgehen können. Doch weit gefehlt!

Wie der Leipziger Emeritus Werner Berthold und sein noch im Amt befindlicher Co-Autor Mario Keßler (Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung) eindrucksvoll unter Beweis stellen, steht und fällt auch so ein unkompliziertes Werk mit der Grundkonzeption. Diese ist im Falle von „Klios Jüngern“ dadurch gekennzeichnet, daß die Idee zu dem Vorhaben von einer Mitarbeiterin des Neuen Deutschland kam. In genau jenem stramm linksgerichteten Blatt nämlich waren zwischen 2001 und 2003 einige der Historiker-Kurzporträts abgedruckt worden, woraufhin die Anregung an die Verfasser erging, das Ganze doch zu einem Buch auszubauen.

Und das taten die beiden dann auch – und zwar, ohne dem Geist der „Sozialistischen Tageszeitung“ untreu zu werden: Zum einen wird der arme Leser auf Schritt und Tritt mit marxistischen Platitüden malträtiert, zum anderen wimmelt es von zahllosen lobhudelnden Hinweisen auf die angeblich so bedeutsamen „Leistungen“ der DDR-Geschichtswissenschaft. Dabei schrecken Berthold und Keßler in ihrem Vereinnahmungswahn nicht einmal davor zurück, Homer und Hesiod zu attestieren, daß sie eine Form der Geschichtsschreibung begründet hätten, in deren Kontinuität auch der Marxismus stehe!

Da stellt man sich natürlich die Frage, ob die Mitglieder der explizit genannten Zielgruppe des Buches, nämlich „Lehrer, Schüler, Studenten, Journalisten, im Bereich der politischen Bildung Tätige oder einfach geschichtsbegeisterte Leser jeden Alters“ tatsächlich derart masochistisch veranlagt sind, daß sie sich die Lektüre dieses ostalgischen Traktates antun. Oder wird der kapitalistische Markt mit seinen „Wolfsgesetzen“ für eine verlegerische Bauchlandung sorgen? Jedenfalls ist eine Warnung an alle potentiellen Leser dringlich, genau zu bedenken, auf welche doppelte Zeitreise sie sich mit dieser enervierenden Hommage an die marxistische Geschichtswissenschaft einlassen.

Werner Berthold, Mario Keßler: Klios Jünger. 100 Historiker-Porträts von Homer bis Hobsbawn. Akademische Verlagsanstalt, Leipzig 2011, broschiert, 220 Seiten, 24 Euro

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